VON CLEMENS POKORNY
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06.04.2015 17:12
Globalisierung der Medien – Medialisierung des Globus?
Die weltweite Vernetzung von Menschen, Institutionen und Ländern untereinander hat viele inhaltliche Facetten. Das zunehmend dichtere mediale Beziehungsgeflecht rückt weit Entferntes scheinbar näher zusammen. Das hat positive wie negative Seiten. Fest steht aber, dass die Medien ebenso Ursache wie Wirkung von Globalisierung sind und somit in der jüngsten Vergangenheit an Bedeutung gewonnen haben.
Globalisierung im engeren Sinne begann bekanntlich erst nach dem Ende des Warschauer Paktes. Der Aufstieg von Internet und Heimcomputern begleitete diese Entwicklung nicht nur, er war vielmehr einer ihrer Aspekte, der Globalisierung erst ermöglichte. Denn diese besteht nicht nur in einer Verdichtung des internationalen Geflechts von Wirtschafts-, Handels-, kulturellen und politischen Beziehungen. Dass ein erheblicher Anteil an allen potentiellen Kommunikationspartnern weltweit via Satellit oder Glasfaserkabel dauerhaft und zuverlässig miteinander verbunden sind, stellt offensichtlich die Voraussetzung für ein weltumspannendes Netz an Beziehungen auch anderer Art dar.
Deswegen wendet sich die Kommunikationswissenschaft auch gegen die so anschauliche Metapher vom „globalen Dorf“, in dem wir angeblich leben. Erstens nämlich rücken die Länder und Menschen dieser Erde durch die Globalisierung der Medienkommunikation ja nicht wirklich zusammen wie die Häuser eines kleinen Ortes. Sie bleiben unabhängig voneinander bestehen; Distanzen sind nicht aufgehoben, sondern werden potenziell überbrückt. Zweitens suggeriert das Bild vom globalen Dorf, dass (inter-) nationale Unterschiede nivelliert würden – doch wären infrastrukturell schlecht erschlossene Entwicklungsländer ebenso wenig gleichberechtigte „Nachbarn“ in diesem Ort, wie auch „Villen“ nicht neben „Plattenbauten“ gerückt sind. Man sollte sich von der vermeintlichen Gleichheit und Nähe im Netz daher nicht täuschen lassen.
Wohlstand ohne Wachstum?
Gerade in hochentwickelten Ländern definieren viele Menschen Wohlstand über ihr Einkommen im Vergleich zu dem der anderen – und machen ihr Glück damit indirekt vom Wirtschaftswachstum abhängig
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Auch Handelsabkommen wie
die geplante TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen Europa und den USA heben nicht nur wirtschaftlich schädliche Unterschiede zwischen den beteiligten Akteuren auf, sondern
verschärfen zugleich die Ungleichheit zwischen den reichen Ländern der Nordhalbkugel und den armen auf der Südhalbkugel unseres Planeten. Gleichzeitig ermöglichen erst die globalisierten Massenmedien, dass sich neben Politik und Konzernen auch die Bürgerinnen und Bürger dieser Welt vernetzen und ihren Willen dadurch bündeln können – zum Beispiel dann, wenn sie ihre Interessen durch mächtiger scheinende Institutionen und Akteure gefährdet sehen.
International agierende Medienkonzerne gewinnen ihrerseits ebenfalls gegenüber (zumal nationalstaatlich begrenzter) Politik an Macht.
Eine solche Entgrenzung des Planeten droht freilich, auch sinnvolle regionale Unterschiede zu verwischen. Menschen, die der Globalisierung kritisch bis negativ gegenüberstehen, fürchten, dass solcherart Nivellierung
auf Kosten der Qualität in den betroffenen Bereichen geht. Denn wo von den gleichen Produkten – z.B. auch Medienerzeugnissen – eine Vielzahl von Interessen bedient werden muss, verflachen die Inhalte tendenziell. Ein Beispiel wäre das regional nur wenig verschiedene Fast Food der großen Ketten. Nicht zufällig stammt es wohl aus einer Nation, in der die Nivellierung von Unterschieden aus historischen Gründen schon immer Programm war und die in Europa daher nicht zu Unrecht als Mutterland kultureller Verflachung gilt: den USA.
Vielleicht treibt auch die Sehnsucht des Gemeinschaftstieres Mensch nach Gesellschaft mit Gleichen – im Zeitalter der Globalisierung eben nach einem illusionären „globalen Dorf“ – die Einebnung von Unterschieden in Medien wie Internet oder Fernsehen voran. Wenn immer mehr Menschen in die anonymen Großstädte ziehen, suchen sie ihre sozialen Kontakte vermehrt im virtuellen Raum. Die Welt wird somit immer stärker medialisiert und längst schon von Heranwachsenden mehr durch ihre mediale Repräsentation wahrgenommen als in Wirklichkeit (man denke nur an die Kinder, die Kühe für lilafarben halten!). Globalisierung der Medien und Medialisierung des Globus gehen also Hand in Hand.