VON CLEMENS POKORNY
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05.01.2017 13:06
Im Abwärtsstrudel des Mainstreams
Die Massenmedien, zum Teil durch den umstrittenen Rundfunkbeitrag finanziert, sollten uns Bürgerinnen und Bürgern Hintergrundinformationen liefern und allgemeinverständliche Analysen des (Welt-)Geschehens vorlegen. Allzu oft verharren sie jedoch gerade in den letzten Jahren an der Oberfläche. Das macht sie in Zeiten von Social Media überflüssig – und stellt die Gebührenfinanzierung der Öffentlich-Rechtlichen erneut in Frage.
Der Rundfunkbeitrag ist nach Ansicht einiger Köpfe aus der Rechtswissenschaft eigentlich eine Steuer, da er auch dann gezahlt werden muss, wenn im Gegenzug gar keine Leistung in Anspruch genommen wird. Wer ihn befürwortet, verweist gerne darauf, dass in unserer Demokratie den öffentlich-rechtlichen Medien die Aufgabe zukomme, ihre Berichterstattung nicht nur am Profit zu orientieren, sondern – anders als meist die privaten Konkurrenten – auch weniger Gefragtes zu produzieren. Nicht zuletzt sollen sie tiefere Einblicke in Themen gewähren, die für die Allgemeinheit relevant sind.
So tragen Medien im Idealfall zur demokratischen Meinungs- und Willensbildung bei. Nehmen wir das Beispiel Syrienkrieg: Die Massenmedien dürfen sich nicht darauf beschränken, von einzelnen Gefechten zu berichten; sie dürfen die Konfliktparteien und die internationalen Verhandlungen nicht auf Schlagwörter reduzieren; und sie dürfen nicht bei Gegenwärtigem verharren, sondern müssen sowohl über die Ursachen der Auseinandersetzung berichten als auch unter Rückgriff auf Expertenwissen mögliche Zukunftsszenarien für das geschundene Land darlegen. Leider geschieht all das zu selten. Im Gegenteil, Präsident Assad und sein Verbündeter Russland waren schnell als die Bösen ausgemacht. Nur selten rückt die Politikwissenschaft in den Massenmedien dieses allzu einseitige Bild zurecht: Erst die USA haben die islamistischen Gegner Assads hochgerüstet, um – wie schon in Afghanistan – einen Regimewechsel in ihrem Sinne zu erzwingen, so der Mainzer Professor Günter Meyer. Aus seiner Sicht tragen die USA die Hauptschuld am Syrien-Konflikt – nicht Assad oder Russland. In den Mainstream-Medien dominiert ein anderes Meinungsbild.
Ähnlich das Thema islamistischer Terrorismus: Ohne jede Frage handeln viele Kämpfer, die sich auf den Koran berufen, aus religiöser Verblendung heraus. Doch solche Eiferer gab es schon früher. Das Erstarken des gewalttätigen Fundamentalismus wurde nach Ansicht zahlloser Experten durch die militärischen Interventionen der USA und ihrer Verbündeten im Nahen und Mittleren Osten begünstigt. Doch wo in den Massenmedien werden diese Zusammenhänge thematisiert?
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Statt der Komplexität der aktuellen Themen und Konflikte durch entsprechend komplexe Berichterstattung Rechnung zu tragen, vereinfachen die Mainstream-Medien lieber. Das geht so weit,
dass Märchenfilme in den Öffentlich-Rechtlichen jetzt auch in Einfacher Sprache gezeigt werden. (Haben Märchen nicht auch die Funktion, Kinder sprachlich zu fordern, um sie zu fördern?) Doch je häufiger ARD, ZDF & Co. an der Oberfläche verbleiben, desto mehr stellen sie ihre eigene Existenzberechtigung in Frage. Wem oberflächliche Information ausreicht, bedient sich heutzutage ohnehin eher bei den Social Media. Die WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich hat in diesem Zusammenhang
kürzlich die Forderung nach Selbstzensur der Netzgiganten erhoben, um Fake News in den Griff zu bekommen: „
Es darf nicht sein, dass gefälschte Nachrichten mehr Verbreitung haben als recherchierte.“ Klingt auf den ersten Blick plausibel, nur: Woran soll Facebook erkennen, welche Nachrichten zuverlässig sind und welche nicht? Jede Form von Zensur, aus gutem Grund von unserer Verfassung verboten, würde zu einer Verarmung der Meinungsvielfalt führen.
Und die öffentlich-rechtlichen Medien sind derzeit oft nicht in der Lage, die dringend nötige inhaltliche Breite zu bieten. Der Publizist Ulrich Teusch spricht in diesem Zusammenhang von der „
Lückenpresse“: Die Mainstream-Medien ließen zu viele Leerstellen, als dass sie ihrem Auftrag, zur politischen Meinungs- und Willensbildung beizutragen, gerecht werden könnten. Kein Wunder, dass ihre Bedeutung gegenüber den Social Media abnimmt.
Ein Fachgutachten für das Bundesfinanzministerium kommt daher auch zu dem Schluss, dass bei den öffentlich-rechtlichen Medien, im internationalen Vergleich extrem teuer, finanziell gekürzt werden sollte. Der Rundfunkbeitrag sollte abgeschafft und die Öffentlich-Rechtlichen auf einen Lückenfüller für die privaten Medien reduziert werden. Dadurch würden sie sicherlich ihrer Rolle besser gerecht werden – doch würden sie damit auch genügend Menschen erreichen?