VON CLEMENS POKORNY
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03.02.2014 17:39
Medienmanipulation durch Bilder
Nicht nur mit der Auswahl ihrer Themen und suggestiver Sprache, auch durch Bilder manipulieren uns Medien – nicht nur die Illustrierten. Der dritte Teil der Reihe über Medienmanipulation bei UNI.DE liefert ein paar Beispiele für die verschiedenen Arten von Bildmanipulationen und zeigt: Fotos entfalten deshalb eine so große Wirkung, weil sie anders als Text unmittelbar evident zeigen, was (zumindest angeblich) der Fall ist.
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„Eine Fotografie zeigt nie die Wahrheit“, sagte 1994 der weltbekannte US-amerikanische Fotograf
Richard Avedon (
Spiegel 38/1994). Etwas krasser drückt es ein Schablonen-Graffito am Münchner Hauptbahnhof aus: „Deine Kamera lügt“ – manche sagen gar: Sie wurde dazu erfunden, um zu lügen. Warum? Schon allein deshalb, weil eine Kamera immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit festhält. Was außerhalb des Fotoausschnitts passiert, können wir nicht sehen und oft nicht einmal erahnen. Das berühmteste Beispiel dafür ist das Bild des „Napalm-Mädchens“ Phan Thi Kim Phúc. Es zeigt mehrere Kinder, die am 8. Juni 1972 vor einem Napalmangriff aus ihrem Dorf fliehen. Die südvietnamesischen Truppen hatten versehentlich eigenes Gebiet getroffen. Im Zentrum des Bildes sieht man ein schreiendes, nacktes kleines Mädchen, das wie die anderen Kinder auf den Photographen, Nick Út, zuläuft. Für die Aufnahme wurde Út mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet, es beeinflusste laut manchen Experten den Kriegsverlauf zuungunsten der von den USA unterstützten südvietnamesischen Truppen. Der Historiker und Spezialist für „Visual History“ Gerhard Paul, der
das Bild und seine Rezeption minutiös untersucht hat,
vergleicht Phans Anblick mit Edvard Munchs Bild „Der Schrei“: Es zwinge den Betrachter, Stellung zu beziehen.
Was aus dem Bild nicht hervorgeht: Nur wenige Sekunden nach der Aufnahme hat sich Phan bereits wieder beruhigt.
Noch im Moment der Aufnahme steht ein Fotograf in Militäruniform rechts außerhalb des Bildausschnitts und
wechselt seelenruhig den Film seiner Kamera – dieser Teil des Fotos wurde vor der Veröffentlichung bewusst abgeschnitten. Ohne das Leid zu relativieren, das der Napalmangriff über Phans Dorf gebracht hat, muss doch zugestanden werden, dass diese Attacke eine von vielen und sicherlich nicht die schlimmste des Vietnamkriegs war.
Auf ähnliche Weise wurden Mitte Januar 2014 die Bilder von der Festnahme eines homosexuellen Demonstranten beim olympischen Fackellauf im russischen Woronesch in deutschen Medien im Sinne der homophoben Stimmungsmache der offiziellen russischen Politik aufgebauscht. Die Festnahme war unvermeidlich, weil Pawel Lebedew über die Absperrung am Straßenrand geklettert war und den Fackellauf gestört hatte. Bei vergleichbaren Aktionen während eines Fackellaufs in Europa wurde das Einschreiten der Sicherheitskräfte nicht politisiert,
wie die Nachdenkseiten unterstreichen.
Es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, manipulativ mit Bildern zu arbeiten, von dreister Fotomontage und gestellten Szenen bis hin zur Auswahl nicht repräsentativer Aufnahmen.
Eine Schweizer Website illustriert eine ganze Liste verschiedener Bildmanipulationen mit berüchtigten Beispielen. Abschließend sei auf zwei weitere Formen der Manipulation durch Bilder verwiesen, die sich bildlich nicht darstellen lassen. Zum einen wären da die Bilder, die erst durch Texte in unseren Köpfen evoziert werden. Sie wirken nicht so unmittelbar wie Fotos, haben aber den Vorteil (aus manipulativer Sicht), dass jeder Betrachter etwas anderes „sieht“. So
behauptete das Bundesverteidigungsministerium 1999 zur Rechtfertigung der deutschen Beteiligung am Jugoslawienkrieg, Serben seien im von Kosovaren bewohnten Dorf Petershtica in Keller gegangen, hätten die Gashähne aufgedreht und dann auf den Dachböden Kerzen angezündet, um so diese besonders perfide Art die Häuser zu zerstören. Die ARD-Dokumentation „
Es begann mit einer Lüge“ hat bereits im Jahr 2000 diese Geschichte als Lüge entlarvt (Gas ist viel zu schwer, als dass es bis zum Dachboden steigen könnte). Und schließlich manipulieren uns auch die Bilder, die nie gezeigt werden, etwa von den
Opfern von Kleinwaffen deutscher Hersteller. Deutsche Rüstungsunternehmen wie Heckler und Koch haben kein Interesse daran, dass solche Bilder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit dringen, Politiker wollen nicht als Arbeitsplatzgefährder dastehen. Hier könnten deutsche Medien die Wirklichkeit durch Fotos vom Tod Made in Germany etwas objektiver darstellen – doch sie haben offensichtlich kein Interesse daran, und so lassen die Bilder, die nicht gezeigt werden, viele Menschen glauben, Krieg hätte mit uns nichts zu tun.