VON CLEMENS POKORNY | 10.07.2013 14:08

Deepwater Horizon: Die Folgen einer Katastrophe

Am 20. April 2010 explodiert die von BP betriebene Erkundungs-Ölplattform Deepwater Horizon vor der US-Küste im Golf von Mexiko – Ursache: mangelnde Sicherheitsvorkehrungen aus Spargründen. 780 Millionen Liter Erdöl laufen ins Meer und richten die größte Ölkatastrophe in der Geschichte des Golfes an, allein die Zahl verendeter Wale und Delphine wird auf mehrere Zehntausend geschätzt. Die Manager erhalten zur Belohnung Millionenabfindungen, das Unternehmen vergibt umstrittene Aufträge zur Eindämmung der Schäden an ein Tochterunternehmen. Doch nun könnten die Folgekosten BP die Existenz kosten.


Zehntausende Existenzen hat die Ölfirma BP durch die Explosion der von ihr geleasten Erkundungsplattform Deepwater Horizon an der US-Südküste vernichtet, nun könnte sie das gleiche Schicksal ereilen. Mit grimmiger Genugtuung könnten viele Menschen in den Südstaaten die Nachricht aufgenommen haben, dass der britische Konzern die Regierung unter Premierminister David Cameron um finanzielle Hilfe gebeten hat. Wenn diese ausbleibt, droht dem größten britischen Unternehmen die feindliche Übernahme.

Fracking: Öl und Gas um jeden Preis?

Vieles ist schiefgelaufen vor dem und noch am 20. April 2010, als die Erkundungsplattform „Deepwater Horizon“ teilweise explodierte und versank, sodass in der Folge monatelang Erdöl aus dem Bohrloch ins Meer lief – insgesamt fast 800.000.000 Liter. Dabei hätte die Unternehmung für BP eine Erfolgsgeschichte werden können: Bereits 2003 hatte sich die Firma die Rechte an der Förderung möglicher Ölvorkommen in dem später als „Tiber-Ölfeld“ benannten Gebiet gesichert, 2009 wurden dort riesige Vorkommen gemeldet. Zur Schaffung von abgesicherten Bohrlöchern leaste BP eine Erkundungsplattform der Firma Transocean. Schon vor dem Unglückstag ignorierten verantwortliche BP-Mitarbeiter bekannte Sicherheitsrisiken, z. T. gegen ausdrückliche anderslautende Empfehlungen von Untergebenen. Wenige Stunden vor dem Unfall wurde das fragliche Bohrloch unter der Deepwater Horizon mangelhaft gesichert: mit einer einfachen statt doppelten Verkleidung, obwohl eine interne Studie vor den daraus resultierenden Gefahren gewarnt hatte; mit dem Verzicht auf Befestigungselemente für das Auskleidungsrohr; und ohne einen Test der stützenden Zementschicht durch bereits anwesende Mitarbeiter der verantwortlichen Partnerfirma Halliburton, die unverrichteter Dinge wieder weggeschickt wurden. Ein Alarmsystem wurde auf „unterdrückt“ geschaltet, um die Besatzung der Plattform nachts nicht mit etwaigem Fehlalarm zu wecken. Gegen 22 Uhr Ortszeit kam es dann zum Blowout: Der unzureichende Verschluss des Bohrlochs hielt dem Druck nicht mehr stand und Bohrschlamm, Öl und Gas strömten in einer riesigen Fontäne aus. Das hochströmende Gas entzündete sich und steckte die Plattform teilweise in Brand. Noch schlimmer für die Deepwater Horizon: Das Gas wurde von den Dieselgeneratoren angesaugt, die außer Kontrolle gerieten und schließlich explodierten. Die Explosion tötete 10 Menschen und führte schließlich zum Untergang der Plattform, wodurch das Bohrloch vollständig aufbrach. Schutzmechanismen wie ein sogenannter Blowout-Preventer, der vom Besitzer der Erkundungs-Ölplattform Transocean in mangelhaftem Zustand, wie sich später herausstellte, geliefert worden war, versagten.

Auch wenn sich das Meer und seine Bewohner aufgrund ihrer Selbstheilungskräfte v.a. in Form von bakteriellem Abbau des Öls langfristig wieder erholen werden, bedeutete die Explosion der Deepwater Horizon die schlimmste Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko überhaupt. Die ihrer Existenzgrundlage beraubten Meeresfischer der angrenzenden US-Bundesstaaten wurden mit 25.000 Dollar abgespeist, wenn sie sich zum Verzicht auf weitere Forderungen verpflichteten. Zum Vergleich: Ein ehemaliger Bootsführer erhielt für seine fünfmonatigen Aufräumarbeiten per Boot 225.000 Dollar plus Sprit und Bootsreinigung. Diejenigen Betroffenen, die es sich leisten konnten, auf die BP-Brosamen zu verzichten, verklagten den Konzern. Dieser setzte zur schnelleren Zersetzung des Ölfilms Corexit ein, eine höchst umstrittene Chemikalie – pikanterweise versprüht von einem Tochterunternehmen von BP. Nachdem etliche Aufräumarbeiter nachweislich durch den Einsatz dieses Mittels erkrankten, rollt nun eine weitere Klagewelle auf BP zu. Schon Wochen nach dem Unglück auf der Deepwater Horizon klagte der unter enormem Druck seines Unternehmens und der Öffentlichkeit stehende Geschäftsführer von BP, Tony Hayward: „Ich will mein altes Leben zurück.“ Der leidende Manager trat zurück und bekam: eine Abfindung von lächerlichen 14 Millionen Dollar sowie ein knappes Jahr später einen Vorstandsposten beim Rohstoffhändler Glencore Xstrata. Transocean zahlte Anfang 2011 einigen Führungskräften Prämien in Millionenhöhe dafür, dass im Jahr 2010 die geringste Zahl an Unfällen seit Gründung des Unternehmens auftrat.

Die Kosten der Katastrophe auf der Deepwater Horizon für BP, die wie Transocean bereits Zahlungsverpflichtungen in Milliardenhöhe akzeptiert hat, belaufen sich mittlerweile auf über 40 Milliarden US-Dollar – weit mehr als der Konzern mit Sitz in London befürchtet hatte. BP will daher die britische Regierung um finanzielle Unterstützung bitten, um einer feindlichen Übernahme zu entgehen. User kommentierten dies im Internet so treffend, dass sie hier zitiert seien: „gewinne privatisieren, verluste sozialisieren. ...“ (colouredwolf) sowie „Sind die etwa auch systemrelevant?“ (robbyy). Bislang hat die britische Regierung entsprechende Gespräche mit BP dementiert.