VON CHARLOTTE MEYER | 27.07.2015 15:07

Staat weiter in der Verantwortung – Betreuungsgeld verfassungswidrig

Es ist als „Herdprämie“ oder „Hausfrauengehalt“ bekannt. Das Betreuungsgeld benachteiligt Frauen und verschiebt Missstände um Kita-Plätze in die private Ebene, so wetterten die Gegenstimmen. Nun ist der Streit um das Betreuungsgeld, das am stärksten von der CSU verteidigt wurde, durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts beendet. Es erklärte das Betreuungsgeld als verfassungswidrig. Was das Betreuungsgeld überhaupt ist und warum es verfassungswidrig ist, erklärt UNI.DE.


1,2 Milliarden für die häusliche Betreuung von 900.000 Kindern

Das Betreuungsgeld ist nicht zu verwechseln mit dem Eltern- und Pflegegeld. Während das Elterngeld finanzielle Verluste durch die Geburt eines Kindes ersetzen soll und das Pflegegeld Menschen unterstützt, die sich selbst um die Pflege eines Nächsten kümmern, hat das Betreuungsgeld ein anderes Ziel. Es ist ein Erziehungsgehalt, auch „Hausfrauengehalt“ oder „Herdprämie“ genannt, das sich an die Betreuung von Kindern richtet. Es soll Mütter und Väter unterstützen, die sich in den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes in Vollzeit um dessen Erziehung und Betreuung kümmern. Das heißt, es gilt für Eltern, die sich bewusst gegen einen Platz in der Kinderkrippe oder in der Kindertagesstätte entschieden haben. Die Idee des Betreuungsgeldes wurde erstmals nach der Bundestagswahl 2009 im Koalitionsvertrag zwischen FDP und CDU/CSU eingebracht und ab August 2013 war die Beantragung möglich. Insgesamt hat der Staat für die „Herdprämie“ 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um die Erziehung von 900.000 Kindern mit monatlich 150 Euro zu finanzieren. Das Betreuungsgeld ist seit seinem Bestehen stark umstritten und von seiner Verfechterin, der CSU, immer wieder vehement verteidigt worden. Die Gegner dieses Programms bemängelten, dass es falsche Anreize setzt und gegen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist. Alte Rollenbilder werden verstärkt, was vor allem Frauen benachteiligt und bildungsferne Familien werden davon abgehalten, ihre Nachkommen so früh wie möglich in Krippen zu schicken. Das Argument für das Betreuungsgeld war wiederum die Gewährleistung der Wahlfreiheit der Eltern in der Erziehung ihrer Kinder.

Die Kinderkrippe ein Kindheitstrauma?

Bund nicht für Betreuungsgeld zuständig

Mittlerweile ist die Herdprämie vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt und damit gekippt worden. Nicht allerdings wegen ihrer inhaltlichen Bestimmungen verstößt sie gegen das Grundgesetz, sondern weil der Bund das Gesetz erließ. Das heißt, der Anspruch auf Betreuungsgeld darf laut Verfassungsgericht nicht bundesgesetzlich geregelt werden. Der Hamburger Senat hatte zuvor beim Bundesverfassungsgericht geklagt und Recht bekommen. Die Zahlung des Geldes darf vom Bund deswegen nicht gesetzlich entschieden werden, weil sie für die Herstellung von gleichwertigen Lebensverhältnissen nicht länderübergreifend notwendig sei. Das Urteil wurde zudem damit begründet, dass ein politisches Anliegen für ein Gesetz auf Bundesebene nicht ausreichend sei. Konkret bedeutet das, dass das Betreuungsgeld nichts mit öffentlicher Fürsorge zu tun hat, denn nur dann könnte der Bund nach dem Grundgesetz zuständig sein. Missstände bei Kita-Angeboten gleicht laut des Urteils das Betreuungsgeld nicht aus, weil die Auszahlung sich nicht daran misst, ob es einen Kita-Platz gibt oder nicht, sondern nur daran, dass Eltern auf ihn verzichten. Da es sich hierbei um einen freiwilligen Verzicht handelt und öffentlich geförderte Kinderbetreuung für alle Eltern gilt, kann man diesen nicht durch eine Prämie ausgleichen.

Offene Gelder für bessere öffentliche Betreuung

Die Frage, die nun im Raum steht, ist, was mit dem Geld passieren soll, das der Bund für das Betreuungsgeld zur Verfügung gestellt hat. Es gibt Forderungen aus Bayern etwa, die eine länderspezifische Regelung verlangen. Das heißt, dass jedes Land selbst entscheiden kann, ob es Betreuungsgeld zahlen möchte oder nicht. Dies müsste allerdings wiederum auch auf Verfassungskonformität geprüft werden. Eine Umfrage der Heinrich-Böll-Stiftung ergab, dass der Großteil der Befragten die bereitgestellten Mittel für andere Leistungen der Familienpolitik gebraucht sehen möchte. So zum Beispiel für Verbesserungen der Betreuung in Kitas oder für den Ausbau von Freizeitaktivitäten für Jugendliche und Kinder. Weitere Punkte sind auch die vermehrte Unterstützung von Alleinerziehenden oder kostenloses Essen in Kitas und Schulen. Die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig von der SPD zeigt sich erfreut über das Urteil des Bundesgerichtshofes. Nun hat man Klarheit und weiß, dass das Betreuungsgeld der falsche Weg ist und keine Zukunft hat. Das nun freie Geld soll durch verbesserte Kinderbetreuung weiter an Kinder und Familien fließen und auch die Familien, die das Betreuungsgeld schon erhalten, sollen dieses weiter bis zum Ende bekommen. Noch ist nicht klar, wie genau das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen ist, aber über weitere Schritte werde man im August beraten, so Schwesig.