VON ANGELA SCHWEIZER | 11.07.2015 16:26

Der Freedom Act: Ende der Massenabhörung durch die NSA und Vorbild für Deutschland?

Ein historischer Tag in den USA: Der Patriot Act, der die jahrelange Massenabhörung durch amerikanische Geheimdienste erlaubte, ist zur Mitte des Jahres ausgelaufen und wird nicht erneuert. An seine Stelle tritt der Freedom Act, der die Befugnisse der NSA einschränkt. Von solchen grundlegenden Reformen der Geheimdienste ist Deutschland weit entfernt.





Lob von Edward Snowdon aus dem Exil

Mit 67 zu 32 Stimmen entschied der Senat gegen eine Verlängerung des Patriot Acts und für eine Reform der Geheimdienste im sogenannten „Freedom Act“. Dieser verbietet das Langzeitspeichern von Telefondaten durch die amerikanischen Geheimdienste, künftig erhalten sie bestimmte Aufzeichnungen nur noch nach richterlicher Anordnung und bei begründetem Terrorverdacht.

Selbstzensur durch Überwachung

Selbst Edward Snowden kommentierte die Verabschiedung des Freedom Act als „ersten und wichtigen Schritt“. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter fand lobende Worte für die amerikanische Regierung, obwohl er seit seiner Veröffentlichung der Massenabhörungen durch die USA selbst von dieser strafrechtlich verfolgt wird und im Exil an einem geheimen Ort in Russland lebt.

Das neue Gesetz sei „ein kultureller Wendepunkt für die Nation“, schreibt die New York Times und eine Gegenreaktion auf den Aufbau des Überwachungs- und Sicherheitsapparates nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Der danach verabschiedete „Patriot Act“ schränkte die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern ein und weitete die Befugnisse des Geheimdienstes CIA und der Bundespolizei FBI stark aus. Darauf folgte das massenhafte Sammeln von Telefondaten durch die National Security Agency NSA. Der Paragraf 206, der das Abhören mehrerer Telefonleitungen einer Person erlaubt, sowie Paragraf 215, der die Speicherung von „relevanten“ Informationen zulässt, ist nun ausgelaufen.

Viele Fragen bleiben offen

Ein Ende der Massenabhörung ist trotzdem nicht in Sicht: Verbindungsdaten werden weiter gesammelt, müssen jedoch nach sechs Monaten an die privaten Telefongesellschaften zur Speicherung abgegeben werden und können nur noch in begründeten Einzelfällen abgefragt werden. Die Macht der Daten liegt also in Zukunft in ihren Händen. Herausgegeben werden dürfen die Daten nur nach begründetem Terrorverdacht sowie eines Beschlusses des US-Geheimgerichts FISC.

Wie sich die künftige Zusammenarbeit zwischen Terrorfahndung und Telefongesellschaften gestalten wird, ist fraglich. Es können nämlich nur die Daten weitergegeben werden, die auch vorhanden sind. Eine Pflicht zur Langzeitspeicherung von Telefondaten für die Unternehmen gibt es nicht.

Quo vadis Deutschland?

Trotz aller offenen Fragen konnte das amerikanische Parlament die Befugnisse der Geheimdienste massiv einschränken. Von solchen Einflussmöglichkeiten des Parlaments auf den Bundesnachrichtendienst scheint Deutschland Lichtjahre entfernt. Auch die parlamentarische Kontrolle ist gering, obwohl das parlamentarische Kontrollgremium halbjährlich Berichte über Grundrechtsbeschränkungen erhält. Dabei ist es oft geschehen, dass Aktivitäten des Bundesnachrichtendiensts rechtlich zwar eine Beschränkung der Grundrechte darstellten, jedoch nicht als solche klassifiziert wurden und daher auch nicht den Weg zum parlamentarischen Kontrollgremium fanden. Millionenfache ungeahndete Grundrechtsverstöße sind die Folge.

Außerdem wusste das Bundeskanzleramt als Aufsichtsbehörde sowohl von den Machenschaften des NSA also auch des darin verwickelten Bundesnachrichtendienstes. Um jedoch die Zusammenarbeit mit Amerika nicht zu gefährden, verletzte das Bundeskanzleramt seine Aufsichtspflicht. Lässt sich also zusammenfassen: „Das Bundeskanzleramt will nicht, das Parlament kann nicht“. Nur grundlegende Reformen der deutschen Geheimdienstaufsicht können dies ändern und eine Interventionsmöglichkeit, ähnlich der in den USA, ermöglichen.