VON ALEXANDER STIEHLE UND MICHAEL BLUM | 13.05.2013 14:46

„Rassisten in Deutschland“ von Harry Waibel

Hat Hitler nur das Beste gewollt? „Ja“ meinten bei einer Umfrage, die 1977 durchgeführt wurde, über 80 Prozent der Bürger in der BRD. 1989 ergab eine Umfrage, dass noch immer 6,4 Millionen Deutsche eine gute Meinung zu Hitler hatten. Rassismus in Deutschland ist kein dunkles Phantom, sondern traurige und erschreckende Realität. Doch woher rührt dieser Hass? Wie äußerst er sich und vor allem: Was wird dagegen unternommen?

Das Buch „Rassisten in Deutschland“ von Harry Waibel deckt schonungslos den Rassismus sowohl in der BRD, als auch in der DDR auf. Äußerst akribisch und mit vielen Fakten belegt ergründet Waibel warum der Rassismus auch nach dem zweiten Weltkrieg immer noch Platz in der deutschen Gesellschaft findet. Die Gründe dafür sind zahlreich: unzureichende Aufarbeitung, Inkonsequenz, Verdrängung. Das Buch liefert oftmals wirklich erschreckende Informationen, die eigentlich kaum zu glauben sind und die den Leser fassungslos zurücklassen. Nachdem das Naziregime am Ende war, wurden beispielsweise viele hochrangige Nazifunktionäre in der Regierung der DDR eingesetzt:

„[…] wir wissen, dass ihr Nazis ward, wir werden aber nicht weiter darüber sprechen, es kommt auf Euch an, ehrlich mit uns mitzuarbeiten.“

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So fand der Rassismus weiterhin seinen Platz. In beiden Teilen Deutschlands. Alte Nazis wurden in Regierungen eingesetzt und konnten unter dem Deckmantel von Läuterung und Reue weiterhin ihren Rassismus ausleben. Waibel führt klare Gründe an, warum die „barbarische Vergangenheit“ so unzureichend aufgeklärt wurde: Mit der Gründung der Bundesrepublik und dem Beginn des Kalten Krieges verschwand das Interesse an der Aufarbeitung des Nazismus.1949 hat der Bundestag sogar die Straffreiheit für bestimmte NS-Gewalttäter beschlossen.

Doch das Buch thematisiert aber nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart. Das Gedicht von Günter Grass („Was gesagt werden muss“), die Aussagen von Thilo Sarrazin und der NSU-Fall werden von Waibel kritisch analysiert. Besonders der Abschnitt über das Gedicht von Grass ist sehr interessant zu lesen. Waibel kommt zum Schluss, dass Grass „seine antisemitischen Einstellungen hinter einer Sorge um das Wohlergehen des iranischen Volkes versteckt.“

Insgesamt ist das Buch sehr übersichtlich strukturiert. Gleich eingangs legt Waibel seine Sicht von Rassismus dar: „Der Kern der rassistischen Ideologie ist die falsche Behauptung, Menschen gehörten „natürlich“ zu biologisch determinierten Gruppen und diese Konstellation müsste die Ordnung der sozialen Systeme bestimmen.“. Danach wird in einzelnen Abschnitten der Rassismus in der BRD, DDR und in der BRD ab 1990 eruiert. Der Leser kann sich auch einzelne Unterpunkte, die ihn speziell interessieren, lesen, ohne dass er den vorherigen Text gelesen haben muss. Im Anhang findet sich noch eine Auflistung von über 250 „Todesopfer(n) rechter Gewalt seit 1990“. Eine überraschend hohe Anzahl, jedoch datiert Waibel jeden Fall genau, erläutert ihn kurz und deutet damit an, wie wenig präsent das Thema in Deutschland doch war und ist.

Bei „Rassisten in Deutschland“ handelt es sich nicht um eine lockere Nachttischlektüre, sondern um einen wissenschaftlich fundierten Text, der mit harten Fakten argumentiert. Aber genau das macht die Faszination des Buches aus: Hier findet man keine fiktiven Geschichten oder Spekulationen. Damit macht es das Buch dem Leser aber nicht immer einfach. An verschiedenen Stellen ist eine gewisse geschichtliche Vorbildung sicher von Vorteil.

Auch nicht einfach ist die Konfrontation mit der These des „verleugnenden Verdrängens“, denn beim Lesen fragt man sich natürlich des Öfteren, wieso Rassismus in Deutschland eigentlich nicht viel stärker thematisiert wird…

Waibel, Harry: „Rassisten in Deutschland“
Verlag Peter Lang. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2012. 447 S.
ISBN 978-3-631-63848-4 geb. Preis: € 56.00