VON CLEMENS POKORNY | 17.06.2013 13:22

Supercredits für Elektroautos?

Die EU plant strengere Obergrenzen für den CO2-Ausstoß von PKW bis zum Jahr 2020. Deutschland hatte gehofft, dieses Ziel unter anderem durch eine Zunahme von CO2-neutralen Elektrofahrzeugen erreichen zu können, die die Emissionen von den auch über 2020 hinaus auf der Straße verbleibenden Spritfressern ausgleichen sollten. Eine Million Elektroautos bis dahin – aus diesem ehrgeizigen Ziel wird nichts, aus verschiedenen Gründen. Die Autolobby forciert daher nun einen schmutzigen Trick, um weiterhin Spritschleudern absetzen zu können: In Gestalt sogenannter „Supercredits“ soll jedes Elektroauto gleich dreifach in der Emissionsbilanz der Autobauer auftauchen.


Die Macht des Konsumenten

Das Auto der Zukunft lässt auf sich warten; insbesondere Elektrofahrzeuge kosten zu viel, haben eine zu geringe Reichweite und Ladestationen gibt es auch noch lange nicht in genügender Zahl – kurz: Die Infrastruktur muss noch verbessert werden. Für die Automobilindustrie könnten sie sich dennoch rechnen: So ähnlich, wie Firmen beim Emissionsrechtehandel sich das Recht zu stärkerer Luftverschmutzung von anderen kaufen können, die ihrerseits weniger CO2 in die Luft blasen, könnten die Autobauer mit der Produktion emissionsfreier E-Autos im Rahmen sogenannter „Supercredits“ den zu hohen Kohlenstoffdioxidausstoß anderer Modelle ausgleichen. Den möchte die EU nämlich beschränken: Bis 2020 sollen Fahrzeuge maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen, bis 2025 soll diese Menge nochmals auf 60 Gramm/km reduziert werden. Das entspricht einem Verbrauch von 3,9 bzw. 2,5 Litern pro 100 Kilometern. Ein ehrgeiziges Ziel, das ursprünglich unter anderem dadurch erreicht werden sollte, dass bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren sollten, die selbst gar kein CO2 emittieren und so die Gesamtbilanz aufpolieren könnten.

Diese Marke wird die Bundesrepublik klar verfehlen, wie Experten schon heute übereinstimmend schätzen. Insbesondere aus Deutschland kommt daher massiver Widerstand gegen die von der Europäischen Union geplanten Grenzwerte: Zu viele große und schwere Autos würden hierzulande im Vergleich zu anderen EU-Staaten hergestellt. Um die Spritschleudern und damit ihre Hersteller auf dem Markt zu halten, fordert die Automobilindustrie daher eine indirekte Verwässerung der geplanten Richtlinie. Der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, nahm dahingehend mit einem Brief Einfluss auf seine Duzfreundin Angela Merkel. Prompt übernahm diese seine Forderung, die Emissionswerte der Elektroautos statt wie bisher vorgesehen 1,3-fach gleich jeweils 3-fach auf die CO2-Bilanz der gesamten Fahrzeugflotte eines Herstellers anzurechnen – eben als sogenannte „Supercredits“. Schon 2007 hatte Wissmann mit seiner Intervention bei der Bundeskanzlerin eine Abschwächung der deutschen Klimaziele erreicht. Setzt sich die Wissmann-/Merkel-Linie in Europa durch, verschiebt sich das Erreichen der 95-Gramm-Grenze um mindestens vier Jahre, wie Greenpeace berechnet hat.

Für den Trick der Supercredits sollen also Elektroautos herhalten, die aber wohl erst deutlich nach 2020 attraktiv genug sein werden, um spritbetriebenen Fahrzeugen ernsthafte Konkurrenz zu machen, auch wenn die Politik schon jetzt das ihre dazu tun könnte. Supercredits würden es der Automobilindustrie erlauben, auch weiterhin ressourcenintensiv hergestellte Spritfresser auf den Markt zu bringen – ohne jeden Anreiz zur Entwicklung sparsamerer Modelle. Gleichzeitig würde das Ziel der CO2-Ausstoß-Reduktion deutlich verfehlt. Als ein Geschenk für die Autobauer wertet daher die SZ Merkels Vorhaben der Supercredits – Klimaschutz sieht anders aus. Die großen deutschen Umweltschutzverbände haben in einer Protestnote an die Bundeskanzlerin dem Wissmann-Brief öffentlich widersprochen und ihre entgegengesetzten Forderungen bekräftigt: verbindliche Obergrenzen für den CO2-Ausstoß von PKW in der EU, keine Supercredits und neue Prüfmechanismen zur realistischen Bestimmung des CO2-Verbrauchs eines Automodells. Wie Merkel mit den seit Sommer 2012 vorliegenden Plänen des Umweltausschusses des EU-Parlaments letztendlich umgehen wird, bleibt spannend. Bisher ist die Bundeskanzlerin der Greenpeace-Forderung nach Offenlegung ihrer Antwort auf das Schreiben des VDA-Präsidenten betreffs Supercredits nicht nachgekommen.