VON CHARLOTTE MEYER | 08.05.2015 12:39

Verfreundete Nachbarn – über das Verhältnis von Piefken und Ösis

Deutsche in Österreich – das ist ein Thema mit Konfliktpotenzial im deutschen Nachbarland. Deutsche nehmen österreichischen Studierenden die Studienplätze weg und sind die Bedienung in den Skiurlaubsorten des Alpenstaats. So die gängigen Klischees. Doch warum ist der Umgang zwischen den zwar verwandten und sich doch stark abgrenzenden „Piefken“ und „Ösis“ so kompliziert? Und woher kommt eigentlich das Wort „Piefke“?



Piefke – ein historischer Begriff

„Piefke“ ist ein Schmähwort und wird in Österreich in der Regel abwertend, zum Teil aber auch synonymisch für Deutsche benutzt. Piefke kommt dabei ungefähr der in Bayern für Norddeutsche verwendeten Bezeichnung „Preiß“ gleich. Die Charakteristika des „Piefken“ entsprechen dabei in der Regel den stereotypisch „preußischen“ Tugenden wie Pünktlichkeit, Fleiß, Ordnungsliebe und oft auch Abwesenheit von Humor. Um den Ursprung der Bezeichnung „Piefke“ gibt es indes unterschiedliche Versionen. Eine geht beispielsweise auf den Deutschen Krieg 1866 und die Niederlage der Koalition des Deutschen Bundes mit Österreich in der Entscheidungsschlacht gegen Preußen zurück. Zur Feier des Sieges komponierte Johann Gottfried Piefke einen Marsch für die Preußen, den er bei der Siegesparade vor Wien am 31. Juli 1866 dirigierte. Im österreichischen Publikum soll dabei geraunt worden sein: „Die Piefkes kommen“. Das Äquivalent in Deutschland für Österreicher enthält dabei keine spektakuläre Historie; man benutzt lediglich die Verniedlichung „Ösi“.

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Die meisten Deutschen sind an der Universität oder in der Gastronomie

In Deutschland ist die Abneigung gegen die „Piefken“ in der Alpenrepublik spätestens seit der Debatte um deutsche Studierende an österreichischen Universitäten bekannt. NC-Flüchtlinge aus Deutschland nehmen den Österreicherinnen und Österreichern die Studienplätze weg und verteuerten die Mieten, war der allgemeine Vorwurf. Grund dafür ist die liberale und unbürokratische Handhabung bei der Studienzulassung in Österreich. Für viele Studiengänge kann man sich einfach ohne Eingangsprüfung und ohne Notenbeschränkung einschreiben. So kommt es, dass beinahe jeder neunte Studierende in Österreich aus Deutschland kommt und die Deutschen an psychologischen Fakultäten in grenznahen Städten fast 80 Prozent ausmachen. Neben den deutschen Studierenden sind auch Deutsche in der österreichischen Gastronomie ein Thema. Da wird gewitzelt, dass in Österreich die deutsche Wiedervereinigung gelebt wird, weil west-deutsche Touristen von den vielen ostdeutschen Arbeitsemigrierenden bedient würden. Insgesamt steigt die Zahl der Deutschen im südlichen Nachbarland kontinuierlich, sie machen inzwischen die größte Ausländergruppe aus. 30.000 davon sind Studierende und mehr als 83.000 waren 2010 als Angestellte in Österreich sozialversichert. Der Großteil davon arbeitet zwar noch immer im Tourismus, doch auch in der Industrie sind hochqualifizierte Deutsche zu finden.

Piefken und Ösis – warum so kompliziert?

Doch warum nun scheint die Beziehung zwischen „Piefken“ und „Ösis“ im Nachbarland problematisch? Wegen der Niederlage 1866? Oder etwa, weil es dank deutscher Studierende keinen Raum mehr für die Einheimischen gibt? Das als alles erklärenden Grund anzunehmen, wäre wohl zu kurz gegriffen. In einem 2013 erschienenen Ratgeber für Führungskräfte in Österreich etwa sieht die Psychologin Saskia Lackner als Hauptproblem, dass deutsche Zuzügler in Österreich oft mit „Ausland light“ rechnen würden und oft gar nicht wüssten, wie groß die Abneigung gegen deutsche Sitten in der Nachbarrepublik sei. Lackner hebt hervor, dass anders als in Deutschland etwa persönliche Beziehungen wichtiger seien als fachliche Kompetenz. Ein weiterer Unterschied sei, dass Titel und Netzwerke eine weitaus größere Rolle spielen und „der Österreicher“ mehr Wert auf Höflichkeit legt und bestrebt ist, Konflikte zu vermeiden, anstatt die Konfrontation zu suchen. Diese Eigenheiten sollten deutsche Zuzügler, die oft zu forsch und direkt agierten, berücksichtigen wenn sie nicht als aggressiv wahrgenommen werden wollen, rät Lackner. Zwar ist sie sich bewusst, dass gewisse Stereotype von ihrem Ratgeber gefestigt werden, doch meint Saskia Lackner, dass Klischees Orientierungshilfen seien und tatsächlich oft auch zuträfen. Scheinbar ist also Assimilation der Kardinalweg, um als Deutsche oder Deutscher in Österreich den Piefkestempel zu vermeiden.