VON LISI WASMER
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27.06.2013 13:04
Legalisierung von Drogen: sinnvolle Strategie oder Hippie-Träumerei?
Als der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele 2002 mit seiner Forderung „Gebt das Hanf frei“ Stefan Raab zu einem Radiohit inspirierte, haben wir herzlich gelacht. Zumindest schaffte es der Song immerhin bis auf Platz vier der deutschen Single-Charts. Dennoch: Die Thematik, mit der sich Ströbele damals lautstark auseinandersetzte, ist im Grunde eine sehr ernste: Seit Jahren wird bereits die Entkriminalisierung von Drogen als Mittel zur Reduzierung der Negativfolgen durch Drogenkonsum und –verkauf diskutiert – und das nicht nur in Europa. Welche Folgen sind bei einer Legalisierung von Drogen zu erwarten? Wer ist dafür und wer nicht?
So amüsant Stefan Raab und seine Persiflage-Songs sein mögen - Ströbeles Forderung nach einer Entkriminalisierung von Cannabis aus dem Jahr 2002 spricht eigentlich eine sehr ernste Thematik an: Allein in der Bundesrepublik Deutschland starben 2012 laut einer Statistik des Bundeskriminalamts knapp 950 Menschen an den Folgen von Drogenmissbrauch. 2008, vor dem Ausbau des Hilfsangebots zur Behandlung von Suchterkrankungen, waren es sogar fast 1.500. Wem diese Zahlen niedrig erscheinen mögen, der bedenke, dass anders als etwa in Südamerika der Konsum sogenannter „harter Drogen“ wie Heroin in Deutschland vergleichsweise niedrig liegt. Von den Kosten für das Gesundheitssystem, die jährlich durch Drogenmissbrauch entstehen ganz zu schweigen.
Mafiöse Strukturen bei den Hells Angels
Die Mitglieder mit den ärmellosen Lederkutten werden in Zusammenhang mit Schutzgelderpressungen, Prostitution und Drogenhandel gebracht
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Drogenpolitik auf dem amerikanischen Kontinent
In Lateinamerika, wo die internationale Drogenmafia sozusagen ihr "Hauptgeschäftsgebiet" unterhält, hat der Kampf gegen den Anbau, die Verbreitung und den Konsum illegaler Rauschmittel mit der Veröffentlichung des „Report on the Drug Problems in the Americas“ der
Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) nun neuen Aufwind bekommen. Dabei war es zunächst nicht einmal gelungen, das Thema überhaupt auf den Verhandlungstisch zu bekommen, wehrte die Delegation der USA eine Aufnahme der Debatte um Wege zur Bekämpfung der Drogenkartelle in die Agenda des Gipfels bisher stets ab. Dabei zeigt der vorgelegte Report eindeutig: Die bisherige Drogenpolitik auf dem amerikanischen Kontinent ist unzulänglich. In einer entsprechenden Pressemitteilung der OAS heißt es, 45 Prozent der Kokainkonsumenten weltweit fänden sich in Nord- und Südamerika. Hinzu kommen geschätzt 50 Prozent der Heroinkonsumenten sowie ein Viertel aller Marihuana-Raucher.
Die Studie illustriert aber nicht nur die derzeitige Situation in den einzelnen amerikanischen Staaten, sie behandelt auch diverse Szenarien unter Berücksichtigung verschiedener Strategien zur Lösung des amerikanischen Drogenproblems - unter anderem die Entkriminalisierung „weicher Drogen“ wie etwa Cannabis. Und dennoch: Trotz der Tragweite, die dieser Ausarbeitung verschiedener Lösungsansätze allenthalben zugesprochen wird, scheint es dem Generalsekretär der OAS, José Miguel Insulza, offenkundig schwerzufallen, konkrete Vorgehensweisen abzuleiten: Von der Notwendigkeit, mit vereinten Kräften eine gemeinsame Vision zu verwirklichen ist da die Rede, von der Berücksichtigung der Ressourcen jedes einzelnen Staats und der Wertschätzung aller national variierenden Lösungsstrategien. Was das genau heißt, bleibt nach wie vor opak.
Entkriminalisierung von Drogen – der richtige Weg?
Dabei liefern die Szenarien aus dem Report im Grunde keine schlechten Ansatzpunkte. Dass gerade die Legalisierung von Drogen durchaus mit Erfolg belohnt werden kann, zeigt etwa das Beispiel Portugal: Wie es in einem
Bericht des Auslandsrundfunks „Deutsche Welle“ zum OAS-Report heißt, habe die dort 2001 durchgeführte Entkriminalisierung von Drogenkonsum und –besitz keinen signifikanten Anstieg der Abhängigkeitsraten zur Folge gehabt, die Zahl der Drogentoten sei hingegen um mehr als ein Drittel gesunken – laut Behörden der Verdienst der gleichzeitig verbesserten Betreuung von Suchtkranken. Die Europäische Union scheint sich trotz dieser positiven Bilanz bisher nicht zu einer vergleichbaren, EU-weiten Strategie durchringen zu können. Im selben Bericht heißt es, die aktuelle EU-Drogenstrategie für die Jahre 2013 bis 2020 berücksichtige keine Ansätze in dieser Richtung.
Und auch auf der anderen Seite des Atlantiks wird die Lösung durch Entkriminalisierung bei Weitem nicht von allen Mitgliedsstaaten der OAS gleich stark priorisiert, obwohl die Initiatoren der OAS-Studie, zu denen auch Kolumbiens Präsident José Manuel Santos gehört, durchaus mit positiven Effekten rechnen: Durch die Legalisierung „weicher Drogen“ erhoffen sich die Befürworter der Entkriminalisierungs-Strategie eine bessere staatliche Kontrolle über alle Bereiche hinweg, vom Anbau über die Produktion und den Vertrieb bis hin zum Verkauf an den Endabnehmer. Zusätzlich werde der Preiskampf auf dem Drogenmarkt verschärft, wodurch, so die Hoffnung, das Marihuana-Geschäft für die Drogenkartelle weniger rentabel und somit weniger interessant werden würde.
Wie auch immer eine zukünftige Politik im Kampf gegen die Drogenmafia auf dem amerikanischen Kontinent aussehen wird – die Suche nach einer Alternative zum bisherigen militärischen Vorgehen erscheint auf jeden Fall mehr als nur angebracht. Allein in den letzten sechs Jahren kamen im Krieg gegen die Kartelle mehr als 50.000 Menschen ums Leben. Die Problematik bleibt indessen unverändert bestehen.