VON MAXIMILIAN REICHLIN | 15.04.2013 13:51

Die Macht des Konsumenten – Illusion oder einflussreiche Kraft?

Die Weltwirtschaft steht in den letzten Jahren unter beständiger Kritik durch Nichtregierungsorganisationen und Initiativen. Vom immensen Verbrauch fossiler Brennstoffe hin zur erwiesenen Fragilität des Finanzsystems: Von einer „nachhaltigen Gesellschaft“ sind die Wohlstandsländer, so Kritiker, noch weit entfernt. Der Konsument habe jedoch die Möglichkeit, das wirtschaftliche System zum Besseren zu verändern – eine Macht, derer er sich noch nicht ausreichend bewusst ist.

Die Gesellschaften der westlichen Welt haben sich in den letzten einhundert Jahren stetig weiterentwickelt: Das erreichte Wohlstandsniveau in den Industriestaaten ist durch den technologischen Fortschritt heute unerreicht, die Medialisierung sorgt für einen hohen Bildungsstandard und die ständige Informiertheit der Konsumenten. Ein gesellschaftlicher Faktor jedoch weigert sich beharrlich, den Trend des Wandels mitzumachen: die Wirtschaft. Sie will noch immer nach Parametern funktionieren, die vor einem Jahrhundert festgelegt worden sind.

Alternativen suchen und finden:

Dabei hat die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich gezeigt, dass die Grundsätze eines angeblich autonomen, selbstregulierten und effizienten Marktes, nicht mehr der Wahrheit entsprechen: Ohne das Eingreifen der Regierung in der weltweiten Finanzkrise seit 2008, wäre einer der größten Wirtschaftszweige der Industriestaaten, die Finanzwirtschaft, zusammengebrochen. Und auch von einer gerechten Verteilung des Reichtums kann nicht gesprochen werden, stagnieren doch seit Jahrzehnten die Aufwendungen für Wohlfahrt und soziale Projekte. So jedenfalls argumentieren Kritiker des herrschenden Systems, etwa der Kulturwissenschaftler Nico Stehr, Professor an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen.

Der Konsens: Ohne Intervention handelt der Markt, der immer noch kapitalistisch und daher auf stetigen Wachstum eingestellt ist, nur selten ökologisch und moralisch. Ob Arbeitnehmer angemessen behandelt werden oder ob die Produktion eines bestimmten Gutes Umwelt oder Gesundheit gefährden, muss kontrolliert werden. Den nötigen Einfluss auf all diese Faktoren haben jedoch nicht ausschließlich die Politik oder die Konzerne selbst, sondern allen voran die Konsumenten. Mit ihren Kaufentscheidungen sind sie heute in der Lage, nicht nur auf den Markt zu reagieren, sondern diesen mitzubestimmen.

Ein gutes Beispiel für den gelungenen Einfluss der Konsumenten ist der Boykott des Mineralölkonzerns „Shell“ 1995. Durch die Entscheidung der Konsumenten, nicht mehr bei Tankstellen des Ölmultis zu tanken, sondern auf Alternativen umzusteigen, konnte die von „Shell“ geplante Versenkung einer ausrangierten Bohrinsel in der Nordsee verhindert werden, die, so die Organisation Greenpeace, katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt gehabt hätte.

Doch die Zahl der verbesserungswürdigen Wirtschaftsfaktoren ist immer noch hoch. Der Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaennicke beispielsweise beklagt die Bequemlichkeit der Konsumenten, die mit ihren Entscheidungen durchaus in der Lage wären, große Defizite, etwa die illegale Abholzung der Regenwaldflächen oder die steigende Umweltbelastung durch die Energiekonzerne, auszumerzen, aber nicht tätig werden. „Man muss den Leuten nur klar machen, dass sie diese Macht haben!“ sagte er im Gespräch mit dem Magazin der Stiftung "Utopia".