VON LISI WASMER
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27.05.2013 15:28
Rassismus in Ungarn – Wiederaufstieg der extremen Rechten
Holocaust-Leugnung, rechtsextreme Gewalt gegen ethnische Minderheiten, Volksverhetzung . Die Stimmung in Ungarn scheint sich in diesen Jahren immer stärker gegen Juden und Roma zu richten. Weltweit wird diese Entwicklung mit Besorgnis wahrgenommen – zumal sich die ungarische Regierung offensichtlich alles andere als zum Eingreifen bemüßigt fühlt.
Anfang Juni wird im Schlosspark von Dég in Ungarn wie jedes Jahr zu dieser Zeit Balsmusik ertönen. Männer in Armee-Uniformen werden aufmarschieren, der Bürgermeister wird eine Rede halten, Kränze werden am 1991 dort errichteten Denkmal niedergelegt werden. „Ihre Ehre hieß Treue“ ist auf dem Gedenkstein zu lesen. Ungarische, deutsche und österreichische Neonazis gedenken hier alljährlich am „Heldentag“ den im zweiten Weltkrieg gefallenen Mitgliedern der Waffen-SS – ohne Einschränkung durch die Behörden.
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Es ist bezeichnend für eine besorgniserregende Entwicklung, wie sie in Ungarn in den vergangenen Jahren stattgefunden hat: Die extreme Rechte gewinnt immer mehr an Zulauf, Aggressionen gegen Juden und Roma nehmen zu. Und die Regierung sieht keinen Handlungsbedarf. Im Gegenteil: Seit Viktor Orbán, Vorsitzender der rechtskonservativen Fidesz-Partei, vor drei Jahren erneut zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, zeichnet sich eine deutliche
Radikalisierung der Innenpolitik ab – zugunsten der extremen Rechten und zum Leidwesen der ethnischen Minderheiten in Ungarn.
Internationale Bedenken
Gegen den Weg, den Ungarn seither beschreitet, regt sich nicht nur in der innerländlichen Opposition Widerstand. Auch internationale Beobachter äußern sich besorgt über den zunehmend autoritären, wenn nicht gar faschistischen Charakter der ungarischen Regierung. So veröffentlichte der Nachrichtensender
Al Jazeera vergangene Woche eine Dokumentation der britischen Filmemacherin Glenn Ellis auf seiner Website, in der vor allem auf die Diskriminierung von Roma und Juden durch Paramiliz, aber auch durch die Regierung selbst eingegangen wird.
Es geht um öffentliche antisemitische Äußerungen hochrangiger Politiker wie etwa die des rechtsradikalen Parlamentsmitglieds Martin Gyongyosi, der während einer Sitzung die Erstellung einer offiziellen Auflistung aller Juden forderte. Vor allem solche, die in politischen Kreisen verkehrten oder Teil des öffentlichen Lebens seien, wären hier von Bedeutung, da sie eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellten, so Gyongyosi laut Al Jazeera.
Und auch der Parlamentsvorsitzende Laszlo Kover ist hier kein unbeschriebenes Blatt: Von Glenn Ellis auf die Aufnahme von Werken des als Kriegsverbrecher verurteilten Schriftstellers Nyiro Jozsef in den Lehrplan ungarischer Schulen angesprochen, verharmlost er dessen Engagement in der 1944-1945 kurzfristig regierenden nationalsozialistischen Pfeilkreuzler-Partei, welche für die Deportation von rund 80.000 Juden in weniger als drei Monaten verantwortlich ist: Nyiro sollte nicht anhand seiner kurzen politischen Karriere verurteilt werden, so Kover gegenüber Glenn Elis, schließlich seien viele Schriftsteller von den Ideologien der Nazis oder gar der Bolschewiken angezogen worden.
Rezeption in deutschen Medien
Und auch in Deutschland reagieren die Medien immer wieder empört auf derartige und ähnliche Vorkommnisse in Ungarn. So veröffentlichte „
Spiegel Online“ erst Mitte März diesen Jahres einen merklich aufgebrachten Artikel, als dem Fernsehmoderator Ferenc Szaniszlo der Tancsics-Preis verliehen wurde – die höchste staatliche Auszeichnung für Journalisten. Szaniszlo hält mit seiner Einstellung gegenüber den Roma nicht hinterm Berg, verunglimpfte sie im öffentlichen Fernsehen einmal als „Menschenaffen“. Der zuständige Minister habe die Ehrung im Nachhinein als „bedauerlich“ bezeichnet, von antisemitischen Äußerungen hätte er nichts gewusst.
Ähnlich negativ wurde auch die Verurteilung von neun Roma Anfang Mai aufgefasst. Zwar steht die ihnen vorgeworfene Straftat, der gemeinschaftliche Angriff auf eine der inzwischen verbotenen rechtsradikalen Paramiliz „Ungarische Garde“, nicht zur Debatte; heftig umstritten ist aber der vom Gericht festgestellte Rassenhass als Beweggrund, aufgrund dessen strafverschärfender Wirkung das Urteil der Richter mit insgesamt 27 Jahren und neun Monaten Freiheitsentzug unerwartet scharf ausfällt, wie die „
Berliner Morgenpost“ berichtet.
Ob und inwiefern sich Rassenhass als strafverschärfend für die bekanntermaßen rechtsextremen Angeklagten im Fall der 2008 und 2009 verübten Morde an mehreren Roma auswirkt, bleibt abzuwarten. Wie der Ungarn-spezifische Nachrichtenblog „
Pusztaranger“ berichtet, läuft das Verfahren noch bis Mitte August. Wird bis dahin kein Urteil gefällt, kommen die Angeklagten auf freien Fuß.