VON JOACHIM SCHEUERER | 09.10.2013 13:35

Die Janusköpfigkeit der deutschen Politik beim Export von Uran und Waffen

Bis 2022 sollen alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet und vom Netz genommen werden. Die Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima, welches in den vergangenen Wochen wieder vermehrt durch Pannenberichte Aufsehen erregte, beschleunigte den deutschen Atomausstieg und bewirkte damals einen überraschend rasanten Kurswechsel Angela Merkels. Doch so konsequent wie von der Regierung oftmals dargestellt ist jener gar nicht. Was nämlich viele nicht wissen ist, dass Deutschland neben seinen Atomkraftwerken auch Urananreicherungslagen betreibt, die vor allem dem Export von Uran in andere Länder dienen und vom geplanten Atomausstieg anscheinend ausgenommen werden sollen. Und dies ist nicht das einzige Beispiel deutsch-politischer Doppelmoral. Das Land, welches sich nicht zuletzt aufgrund seiner historischen Schuld, offiziell lieber aus dem Gros internationaler Kriegs- und Krisenherde heraus hält, ist gleichzeitig der drittgrößte Waffenexporteur - nach den USA und Russland.

Lobby gleich Legislative?

Im Mai 2013 brach im Hamburger Hafen auf dem Frachter "Atlantic Cartier", nur unweit einer Freiluftveranstaltung des evangelischen Kirchentages, welcher zehntausende Besucher beiwohnten, ein großes Feuer aus. Das besonders Gefährliche daran war die Fracht des Transportschiffes, bei der es sich um "Uranhexafluorid", kurz UF6 handelte, also hochkonzentriertes Uran wie es für Atomkraftwerke, aber auch Atomwaffen verwendet werden kann und wird. Zumeist unbemerkt von der Bevölkerung beliefert die Urananreicherungslage in Gronau (Nordrhein-Westfalen) per LKW, Schiff und Bahn 17 Länder mit dem Brennstoff oder aber auch das niedersächsische Lingen, wo es in einer speziellen Fabrik zu exportfähigen Brennelementen weiterverarbeitet wird. Dabei übrig bleibendes abgereichertes Uran, derzeit 9000 Tonnen, wird in Behältern unter freiem Himmel aufbewahrt. Desweiteren fahren im Schnitt ein bis zweimal im Monat Züge mit abgereicherten Uran über das öffentliche Bahnnetz in andere Länder wie z.B. am 12. August 2013 nach Südfrankreich. Die Behörden sind dabei häufig nicht erschöpfend über die Herkunft und den Verwendungszweck des transportierten Urans informiert. Der Bundesrat hat bereits 2011 im Zuge der Debatten um Fukushima auf die Widersprüchlichkeit eines inländischen Atomausstiegs bei gleichzeitigem Uranexport ins Ausland hingewiesen. Die Bundesregierung reagierte darauf mit einer Zurückweisung der prinzipiellen Stilllegung der Urananreicherungslagen.

Eine ähnlich scheinheilige Attitüde weist der vermeintliche Vorreiter in Sachen Energiewende und Ökologiebewegung bezüglich des Umgangs mit Waffenexporten<7a> auf. Mithilfe der Bundesregierung haben Firmen wie Heckler & Koch, Krauss-Maffei Wegmann oder ThyssenKrupp Deutschland auf Platz drei der weltweiten Rangliste für Waffenexporte gebracht. 80.000 Menschen sind hierzulande in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Trotz einer durch die rot-grüne Regierung auf den Weg gebrachten, angeblich "restriktiven" Rüstungsexportpolitik, hat sich der deutsche Waffenexport seit 2000 verdoppelt. Ob Kampfjets für Indien, U-Boote für das finanziell sonst instabile Griechenland oder auch Panzerabwehrraketen für das damalige Libyen Gaddafis. Deutschland liefert Qualitätsware an so gut wie jeden Krisenherd. Bis Mitte 2013 belieferten deutsche Waffenhersteller z.B. noch das politisch zerrissene Ägypten mit Rüstungsexporten im Wert von ca. 13 Millionen Euro. Amnesty International berichtete diesbezüglich von möglichen Verstrickungen deutscher Waffen in Gewalt und Folter gegen Demonstranten durch das ägyptische Militär und die Bereitschaftspolizei. Auch andere Staaten mit schwieriger Menschenrechtssituation beispielweise im Nahen Osten oder Nordafrika zählen zu den Adressaten deutscher Rüstungslieferungen. Besonders Kleinwaffen der Marke Heckler & Koch erfreuen sich weltweit großer Beliebtheit. Schätzungen des Rüstungsgegners Jürgen Grässlin zufolge sterben täglich 114 Menschen durch eine Kleinfeuerwaffe aus dem Hause Heckler & Koch wie z.B. das gern nachgebaute Sturmgewehr G3. Laut Unicef sterben jährlich insgesamt ca. 500.000 Menschen durch Kleinwaffen, weshalb Kofi Annan sie auch als "Massenvernichtungswaffen" des 21. Jahrhunderts bezeichnete. Abhilfe, vor allem im Bereich der Menschenrechte und dem Mangel an Transparenz vieler Waffen-Deals, soll ein Waffenkontrollvertrag der UN, den auch Deutschland unterstützt, schaffen. Es bleibt abzuwarten, wie ernst die Bundesregierung das Abkommen nehmen wird. Zu oft werden notwendige Entscheidungen durch wirtschaftliche Argumente, wie z.B. kurzfristige Arbeitsplatzsicherungen verschoben oder verwässert. Wenn es aber Bereiche gibt, wo ein solches Vorgehen mehr als fragwürdig, unglaubwürdig und unnangemessen ist, dann in jenen der Atom- und Waffenpolitik. Eine konsequente Politik führt sicherlich zu unkomfortablen Lösungen, die eine schwierige Transferphase nach sich ziehen. Doch vielleicht ist es an der Zeit, die Politik des geringsten Widerstands und des wirtschaftlichen Opportunismus zugunsten einer Politik der Integrität und Authentizität aufzugeben, um so einmal wirklich zu mehr Nachhaltigkeit, Frieden und Sicherheit auf der Welt beizutragen.