VON C.V.A.
|
04.12.2012 16:30
Burschenschaften - Zwischen Tradition und Extrem
„Ehre, Freiheit, Vaterland“ - lautete der Wahlspruch der Urburschenschaft von 1815. Viele Studentenverbindungen verwenden ihn noch heute und bekennen sich zu ihren konservativ-traditionellen Werten. Aber wo liegt die Grenze zwischen traditionellem und rechtem Gedankengut?
Rechtsextrem oder nicht?
Seit circa eineinhalb Jahren interessiert sich der Verfassungsschutz nun schon für den Dachverband deutscher Burschenschaften und die Art und Weise, wie mit den rechtsextremen Färbungen von Studentenverbindungen umgegangen wird. Auf dem außerordentlichen Burschentag in Stuttgart im November 2012 wurde der, von liberalen Blättern als ultrakonservativ bezeichnete Bund Teutonia Wien, zum Vorsitz des Dachverbandes ernannt. Daraufhin verdichteten sich die Vorwürfe, dass die deutsche Burschenschaft rechtsextremes Gedankengut in den einzelnen Verbindungen dulden und möglicherweise sogar fördern würde.
Aufsehen erregte außerdem der Ausschluss Christian Beckers aus dem Raczek-Bund. Der Raczek-Bund ist eine konservative schlesische Studentenverbindung, die auf ihrer Webseite die Erinnerung an den deutschen Osten als ihre Aufgabe bezeichnen. Becker hat die Initiative „Burschenschaften gegen Neonazis“ ins Leben gerufen und auf einem Blog diverse Studentenverbindungen des Rechtsextremismus beschuldigt. Auf der vereinseigenen Webseite erklärt der Bund aber, dass Becker wegen „schwerer Verstöße gegen Vereinsprinzipien“ ausgeschlossen wurde und nicht weil er öffentlich Kritik an den Burschenschaften geäußert habe. Der Dachverband wiederum distanziert sich von den Vorfällen und erklärt, dass der Ausschluss von Mitgliedern Angelegenheit der jeweiligen Mitgliedsburschenschaft ist. Zumindest hat der Dachverband Norbert Weidner am Burschentag von seinem Posten als Chefredakteur der Burschenschaftlichen Blätter abgewählt, nachdem dieser wegen eines Leserbriefs mit rechtsextremen Inhalt von der Staatsanwaltschaft Bonn verklagt wurde. Mitglied des Raczek-Bundes ist Weidner nach wie vor.
Deutschland ist größer als seine Grenzen
Wie Deutsch bist du?
Von verstecktem Rassismus und altbackenen Ansichten.
[...]»
Studentenverbindungen polarisieren
Oft werden ihre Mitglieder als Nazis, Schläger oder Säufer beschimpft. Andere hingegen berichten von Vielfalt, Harmonie und tollen Partys. Doch woher rührt dieser Meinungsspalt?
[...]»
Mitglied in einer Studentenverbindung kann, laut der Vereine, jeder männliche deutsche Student werden. Deutsch zu sein bedeutet für die Burschenschaft nicht unbedingt in Deutschland wohnen zu müssen. Denn ihre Vorstellung vom deutschen Vaterland geht
über staatliche Grenzen hinaus. So zählen Österreicher und deutsche Volksgruppen aus anderen Staaten, wie zum Beispiel Osteuropa, auch zum deutschen Volk. Die Frage nach der Aufnahme von nicht-deutschen Studenten wurde am Burschentag vom Dachverband
nicht diskutiert. Auch Frauen können in der Regel kein Mitglied werden. Dies ist auf die Geschichte der Burschenschaften zurückzuführen. Als im 12. und 13. Jahrhundert die
ersten Verbindungen entstanden, durften Frauen nicht studieren. Demnach richteten sich die Vereine ausschließlich an männliche Studenten. Inzwischen studieren an manchen Universitäten mehr Frauen als Männer und außerdem ist eine Vielfalt an kulturellen Ethnien vertreten. Ob die Vereine sich an die gesellschaftlichen Veränderungen anpassen werden, und den Zugang von nicht-deutschen, sowie Frauen erlauben werden bleibt offen.
Verbindung von Tradition und Zukunft
Obwohl alle Verbindungen an traditionellen Werten festhalten, können die Standpunkte einzelner Vereine stark variieren. So gibt es auch liberale Studentenverbindungen, wie beispielsweise den Marburger Verein
Arminia. Der Bund spricht sich für eine Anpassung der traditionellen Werte an moderne gesellschaftlichen Entwicklungen aus, und distanziert sich von rechtsorientierten Verbindungen. Nachdem der Bund die Pflichtmensur (Fechtkampf) 1970 abschaffte, kam es zum Ausschluss aus dem Dachverband deutscher Burschenschaften. Nachdem sie durch eine erfolgreiche Klage die Mitgliedschaft wiedererlangt hatten, wurden sie 1991 erneut wegen der Aufnahme von Zivildienstleistenden ausgeschlossen. Nach erneuter Einklage und längerem Streit, beschloss der Bund sich vom alten Dachverband zu trennen und gründete 1996 die „
Neue deutsche Burschenschaft e.V.“. Inzwischen sind 22 Verbindungen Mitglied des neuen Dachverbandes. Rechtes Gedankengut lehnt der Dachverband ab, genauso wie den volkstumsbezogenen
Vaterlandsbegriff der Deutschen Burschenschaft.
Die Vorwürfe des Rechtsextremismus in Burschenschaften müssen also generell differenziert betrachtet werden. Während in einzelnen Studentenverbindungen rechte Tendenzen deutlich zu erkennen sind, bemühen sich andere um eine moderne Sichtweise und Anpassung an die politische und gesellschaftliche Gegenwart. Wie sich der Dachverband deutscher Burschenschaften in Zukunft positionieren wird, bleibt vorerst abzuwarten.