VON ALEXANDER STIEHLE | 03.02.2012 16:07

Studentenverbindungen – Fluch oder Segen?

Studentenverbindungen polarisieren. Oft werden ihre Mitglieder als Nazis, Schläger oder Säufer beschimpft. Andere hingegen berichten von Vielfalt, Harmonie und tollen Partys. Doch woher rührt dieser Meinungsspalt?

Freitagabend im Haus einer Studentenverbindung. In einer gemütlichen Runde wird das Wochenende eingeleitet. Plötzlich kommen noch zwei Besucher vorbei. Besucher sind immer gern gesehen und sie setzen sich dazu. „Opfert ihr eigentlich auch Jungfrauen“? Kurzes Schweigen am Tisch. „`Türlich, zu einer anständigen schwarzen Messe gehören auch Jungfrauen dazu. Aber sie müssen selbstverständlich arisch sein, wir sind ja sowieso alles Nazis.“ Schallendes Gelächter am Tisch.


Geschichte der Studentenverbindungen
Die Geschichte der Studentenverbindungen hängt eng mit der Entwicklung der Universitäten zusammen. An den ältesten europäischen Universitäten in Italien und Frankreich im 12. und 13. Jahrhundert entstanden die „nationes“. Jede nationes vereinigte Lehrer und Schüler eines bestimmten Landes oder einer besonderen Landschaft. Sie nahmen entscheidend an der Hochschulverwaltung teil und waren Genossenschaften zur gegenseitigen Hilfestellung. Die nationes sind die Wurzeln der studentischen Verbindung. Die erste deutsche Hochschule wurde in Prag gegründet, auch hier nahm man die Einteilung in nationes vor. 1819 wurden die „Karlsbader Beschlüsse“ erlassen: Im Namen der deutschen Regierungen wurden die Deutschen Burschenschaften und sicherheitshalber alle studentischen Verbindungen verboten, weil man umstürzlerische Umtriebe vermutet hat, wenn sich Studenten unkontrolliert zusammentaten. So wurden an allen Universitäten Regierungsbeamte zur Überwachung eingesetzt.

Vorurteile
Viele der heutigen Traditionen kommen aus diesen Zeiten. Auch das die meisten Verbindungen keine Frauen aufnehmen lässt sich auf diese Zeit zurückführen. Aber deswegen sind sie nicht frauenfeindlich, wie oft angeführt wird. Damals durften Frauen nicht studieren, daher konnten sie auch keiner Studentenverbindung beitreten. Heutzutage sind Frauen auf Veranstaltungen immer gern gesehen, bei manchen Bünden können sie auch eine spezielle Art der Mitgliedschaft erwerben. Das Duellprinzip (Fechten) wirkt auf Außenstehende auch befremdlich. Im Mittelalter gab es noch keine Banken, dementsprechend mussten die Studenten all ihr Geld bei sich tragen, wenn sie sich auf den Weg zu ihrer Universität machten. Um sich gegen Diebe und Wegelagerer zu verteidigen, trugen sie einen Degen bei sich. Das man heute auf dem Weg zur Uni in der Schellingstraße ausgeraubt wird ist unwahrscheinlich. Doch der Traditionserhalt nimmt in Verbindungskreisen einen hohen Stellenwert ein, daher hat sich das Fechten und der Ausschluss von Frauen bis heute gehalten.Leider sind auch viele der Meinung, dass Verbindungen rechtsradikal sind. Von über 1000 Verbindungen in Deutschland trifft das auf ca. 30 zu. Wie überall im Leben gibt es auch hier schwarze Schafe. Während des dritten Reiches wurden Verbindungen sogar verboten.

Warum sollte ich einer Verbindung beitreten?
Nichts ist so heiß, wie es gegessen wird. Jeder der mit dem Gedanken eines Beitritts spielt sollte sich zuerst mit ein paar Mitgliedern treffen, um sich so ein eigenes Bild zu machen. Dabei wird schnell klar, ob es passt oder nicht. Die Sorge, dass man für ewig gebunden ist, weil man quasi mit Blut unterschreibt ist absolut unberechtigt. Der Austritt ist jederzeit möglich. Verbindungen haben viel zu geben: Freundschaft, Zusammenhalt und Vergünstigungen. Im Gegenzug fordern sie auch etwas: Übernahmen von Verantwortung, Einsatzbereitschaft und Hilfsbereitschaft.