VON CLEMENS POKORNY | 16.05.2014 18:42

Interview mit Marc Friedrich über "Der Crash ist die Lösung"

Matthias Weik und Marc Friedrich legen mit „Der Crash ist die Lösung“ (erschienen am 16. Mai 2014) nach ihrem Bestseller „Der größte Raubzug der Geschichte“ ein zweites Sachbuch zum Thema vor. UNI.DE hat Marc Friedrich dazu einige Fragen gestellt:


UNI.DE: Finanzkrisen gibt es seit Jahrhunderten – was macht die aktuelle so besonders?

Marc Friedrich: Sowohl die Globalisierung als auch die nie zuvor dagewesenen gigantischen Summen die ins System gepumpt worden sind um es künstlich am Leben zu erhalten. Aber auch der Dogmatismus der von den „Rettern“ an den Tag gelegt wird ist einmalig. Früher habe sich Finanzkrisen auf einzelne Länder oder Regionen beschränkt – heute leben wir in einer globalisierten Welt. Als mit Lehman Brothers lediglich die viertgrößte Investmentbank Pleite gegangen ist wurde die gesamte Welt in ihren Grundfesten erschüttert und die Nachbeben spüren wir bis zum heutigen Tage. Nun sind wir durch die voran getriebene Globalisierung dermaßen mit einander verbunden und verwoben, dass es einen fatalen Dominoeffekt gibt wenn beispielsweise eine große Bank, ein Land oder eine Währung umkippt. Sollte eine große Bank oder ein wirtschaftlich bedeutendes Land seine Schulden nicht mehr bezahlen können, wird dies global verheerende Auswirkungen haben. Alles hat zwei Seiten und nun zeigt die Globalisierung ihre hässliche Fratze. Brandgefährlich sind sowohl die immensen Summen an Geld die zur Stabilisierung in den Finanzsektor geflossen sind als auch die Gesetzesbrüche die von oberster Stelle begangen werden. Dies unterstreicht die Brisanz der Krise als auch die Ratlosigkeit der Protagonisten in Politik und Wirtschaft.

Rezension: Der Crash ist die Lösung

UNI.DE: Den meisten Menschen in Deutschland scheint es trotz ALG II und Billiglöhnen gut zu gehen, wir spüren nichts von den Krisen und Staatspleiten um uns herum. Trügt dieser Eindruck?

Marc Friedrich: Zweifellos, der Schein trügt. Obwohl wir Exportweltmeister sind, der Staat Rekordsteuereinnahmen verbucht und es uns rein materiell noch nie besser ging, stehen jeden Tag über 1,5 Millionen Menschen bei den Tafeln für Essen an, steigt stetig die Altersarmut, muss der Staat sich immer weiter verschulden und arbeiten immer mehr Menschen im Niedriglohnsektor. Mittlerweile arbeiten beschämende 22 Prozent der Deutschen im Niedriglohnsektor und über 40 Prozent aller Neuverträge sind inzwischen zeitlich begrenzt – dies ist drei Mal mehr als noch vor 20 Jahren!

Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist schwer vom Export abhängig und wenn um uns herum immer mehr Länder sich die tollen Produkte „Made in Germany“ nicht mehr leisten können stehen wir vor gravierenden Problemen und werden gezwungen sehr schnell von unserem hohen Ross herabzusteigen. Durch die Eingriffe der Staaten und die andauernde Niedrigzinsphase der Notenbanken erleben wir seit dem Krisenjahr 2008 einen subventionierten „crack up“ Boom der uns einige „gute“ Jahre noch beschert. Aber irgendwann ist Zahltag. Die BRIC Staaten schwächeln und China kann die Weltwirtschaft nicht ein weiteres mal retten. Und dann wird es bitter. In unserem neuen Buch zeigen wir auf, dass Deutschland sich den Exportweltmeistertitel teuer erkauft hat - auf Kosten der Menschen! Wir erleben momentan ein Spiel auf Zeit. Mit den Milliarden und Billionen haben sich die Politik und die Notenbanken lediglich teuer Zeit erkauft aber es wurden keine Probleme gelöst sondern diese wurden lediglich in die Zukunft verschoben. Man muß sich die berechtigte Frage stellen: Wenn es nicht einmal die Wirtschaftslokomotive Deutschland selbst in Rekordjahren erreicht, keine neuen Schulden aufzunehmen, wie soll es dann Griechenland, Spanien, Portugal oder die USA schaffen? Es ist nur eine Frage der Zeit bis der große Crash kommt.

UNI.DE: Warum glauben Sie nicht, dass sich das Finanzsystem noch reformieren lässt, warum muss es Ihrer Meinung nach zum Crash kommen?

Marc Friedrich: Weil wir Menschen selten aus der Vergangenheit lernen, außerdem ist der „point of no return“ längst überschritten worden. Zumeist muss erst ein katastrophales Ereignis kommen um den notwendigen Wandel einzuläuten und zu erzwingen – leider verbunden mit enormen Kollateralschäden. Der finale Kollpas wird kommen, weil keinerlei Umdenken in der Finanzbranche stattgefunden hat. Ganz im Gegenteil. Dies zeigen wir mit aller Deutlichkeit in unserem neuen Buch auf. Man hat das Ganze die letzten Jahre noch weiter auf die Spitze getrieben. Die Krisenverursacher sind paradoxerweise die Krisengewinner. Die Banken haben sich mit noch mehr Geld vollgesaugt, sind noch größer, noch mächtiger und noch „systemrelevanter“ geworden. Wenn man sich überlegt, dass die vier größten Hedgefondsmanager zusammen über 10 Milliarden Dollar verdient haben, müssen wir uns bewusst werden, dass wir so langsam den Gipfel der Perversion erreicht haben. Fakt ist, dass unser Finanzsystem eine mathematisch begrenzte Lebensdauer hat und diese ist seit 2008 eigentlich abgelaufen. Nur mit immensen Anstrengungen und Billionen an Euros und Dollar wird das System am Leben erhalten. Wir erleben gegenwärtig ein Spiel auf Zeit. Die Probleme wurden keinesfalls gelöst sondern sind lediglich auf Kosten der Menschen in die Zukunft verschoben worden, wo sie sich weiter auftürmen und immer bedrohlicher und gefährlicher werden. Das komplette System wird immer mehr auf die Spitze getrieben: Die Krise entstand durch niedrige Zinsen und somit billiges Geld. Bekämpft wird die Krise mit historisch niedrigen Zinsen und somit noch mehr billigem Geld – dies kann und wird nicht funktionieren. Zahlreiche Eurostaaten sind faktisch bankrott, ihre Wirtschaft liegt am Boden, die Arbeitslosenzahlen sind unvorstellbar hoch und gut ausgebildete junge Menschen verlassen in Scharen ihre Heimat. Die USA erhöhen kontinuierlich ihre Schuldenobergrenze um mit neuen Schulden alte Schulden zu bezahlen, während die eigene Notenbank zum größten Gläubiger des Landes aufgestiegen ist. Japans Staatsverschuldung erreicht mittlerweile astronomische Höhen - kürzlich hat selbst der japanische Finanzminister, Taro Aso, vor einer finanziellen Apokalypse gewarnt. Es ist lediglich ein Tanz auf dem Vulkan und ein Spiel auf Zeit. Die Frage ist nicht ob der Crash kommt sondern lediglich wann.

UNI.DE: Die durch nichts gerechtfertigten Zinseszinsen führen Volkswirtschaften mit Notwendigkeit immer wieder in die Krise. Alternative Ökonomen wie Bernd Senf fordern, Zins und Zinseszins durch eine Umlaufsicherungsgebühr zu ersetzen. Was halten Sie davon?

Marc Friedrich: Dem stimmen wir durchaus zu. Der Zinseszins ist das Problem. Den durch ihn wächst die Geldmenge exponentiell und dies ist auf unserer Erde deren Ressourcen limitiert sind rein mathematisch nicht möglich. In der Natur wuchert z.B. der Krebs exponentiell – aber nur so lange bis der Wirt stirbt, dann stirbt auch die Krebszelle. Unser Finanzsystem hat Krebs im Endstadium und wird nur mit Dauernotprogrammen der Notenbanken, Regierungen und Banken am Leben erhalten. Obwohl der Patient eigentlich Hirntod ist. Aber wir müssen viel tiefer gehen. Wir haben seit 2008 etliche Krisen erlebt: Subprime Krise, Bankenkrise, Eurokrise, Vertrauenskrise, Griechenlandkrise… usw. Eigentlich haben wir eine Systemkrise, eine menschliche Krise. Wenn wir die Probleme wirklich nachhaltig lösen wollen, müssen wir dort ansetzten. Wir alle sind Teil des Problems, wir alle können aber auch Teil der Lösung sein!

UNI.DE: Ihre Vorschläge zur Lösung der Krise erfordert von der Politik Mut. Wie, glauben Sie, werden die europäischen Staats- und Regierungschefs tatsächlich weiter vorgehen?

Marc Friedrich: Leider werden sie bis zum bitteren Ende am jetzigen System festhalten. Sie werden weiterhin auf Zeit spielen und dafür geltende Gesetze brechen, Steuergeld riskieren, Rettungspakete schnüren, den Willen der Menschen ignorieren usw. Erst durch ein „finanzielles Fukushima“ werden sie dann durch die Umstände gezwungen werden wirklich die Ursachen anzugehen und etwas zu ändern.

UNI.DE: In „Der Crash ist die Lösung“ wiederholen Sie vieles, was Lesern von „Der größte Raubzug der Geschichte“ schon bekannt ist. Und mit Thomas Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“ haben Sie derzeit starke Konkurrenz auf wissenschaftlicher Basis. Warum sollten sich unsere Leser „Der Crash ist die Lösung“ kaufen?

Marc Friedrich: Dem müssen wir widersprechen. Zum einen zeigen wir Dinge auf, die sonst nicht in dieser Deutlichkeit angesprochen werden zum anderen haben wir das was gerade diskutiert wird bei Spiegel, Piketty und co in unserem ersten Buch vor zwei Jahren schon geschrieben. Der Untertitel unseres ersten Buches lautete: Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. Lediglich das essentielle Basiswissen zum Geldsystem haben wir nochmals kurz angerissen. Ansonsten knüpft das Buch da an wo unser letztes Buch endet - im Sommer 2012. Wir widerlegen mit Fakten, dass alle Jubelmeldungen zu Griechenland und Portugal nicht der Wahrheit entsprechen. Zeigen den wahren status quo Europas, der Finanzmärkte und Wirtschaft auf. Zudem geben wir den Lesern einen wertvollen Leitfaden an die Hand, wie er sich und sein Erspartes effektiv schützen kann. Der Leser wird viel Neues erfahren und kennenlernen und das alles in einer verständlichen Sprache mit jeder Menge Witz und Sarkasmus. Im letzten Teil unseres Buches werden wir untypisch für ein Sachbuch Dinge schreiben, welche Sie voraussichtlich bisher in noch keinem Wirtschaftsbuch gelesen haben. Lassen Sie sich überraschen.