VON CLEMENS POKORNY | 16.05.2014 18:14

Der Crash ist die Lösung?

Publikationen zum Finanzwesen haben Konjunktur. Matthias Weik und Marc Friedrich legen mit „Der Crash ist die Lösung“ (erschienen am 16. Mai 2014) nach ihrem Bestseller „Der größte Raubzug der Geschichte“ ein zweites Sachbuch zum Thema vor. Unterhaltsam und flüssig geschrieben erklärt es weitgehend allgemeinverständlich alle relevanten Themenkomplexe – alternative Perspektiven werden aber kaum diskutiert.

„Die Finanzkrise“ ist noch nicht vorbei, da sind sich die Deutschen sicher. „Der Crash ist die Lösung“ setzt am Unbehagen an, dass sich längst auch bei wirtschafts- und finanzwissenschaftlichen Laien breitmacht: Warum gehen immer mehr Staaten um uns herum bankrott? Zahlen wir letztlich die Zeche für die Misswirtschaft unserer südlichen EU-Nachbarstaaten? Wann trifft Deutschland die Zahlungsunfähigkeit und welche Folgen hat sie dann für jeden einzelnen? Und was haben die Finanzmärkte damit zu tun?

Interview mit Marc Friedrich über "Der Crash ist die Lösung",

"Der größte Raubzug der Geschichte"

„Der Crash ist die Lösung“ gibt Antworten auf diese Fragen, indem es von den Banken über Deutschland und ausgewählte europäische Volkswirtschaften zur internationalen Ebene voranschreitet und die Rolle und vor allem das Versagen der jeweiligen Akteure im Finanzsystem beleuchtet. Wie schon in „Der größte Raubzug der Geschichte“ stellen Weik und Friedrich einige provokante Thesen an den Anfang ihres Buches: Das derzeitige Finanzsystem sei zum Scheitern verurteilt und werde nur künstlich am Leben gehalten – Stichwort: Euro-Rettung. Der Euro vernichte aber Wohlstand statt ihn zu garantieren. Die Finanzkrise sei im Wesentlichen durch zwei politische Fehlentwicklungen zustande gekommen: Erstens durch die Deregulierung der Finanzmärkte, die sich dadurch, vereinfacht gesagt, von ihrer realwirtschaftlichen Basis lösten. Heute kann man etwa mit Leerverkäufen auf den Fall von Unternehmensanteilen wetten und daran verdienen, ohne eine einzige Aktie zu besitzen. Zweitens hätten die Zentralbanken mit ihrer Niedrigzins-Politik Inflation sowie Spekulations- und Immobilienblasen geradezu forciert. Noch nie sei so viel ungedecktes Kapital im Umlauf gewesen wie heute, lange nach Abschaffung des Goldstandards (Ende des Bretton-Woods-Systems 1971), der bis dato den Wert der US-Währung dadurch garantiert hatte, dass hinter jedem gedruckten Dollar wenigstens 33 Cent in Gold standen. Solange aber die europäischen Krisenstaaten ihre Volkswirtschaften nicht stabilisierten, würde mit EU-Hilfspaketen nur Geld verbrannt und der Euro weiter entwertet. Geld, das gerettet werden muss, ist gar keines, so Weik und Friedrich – der Euro sei daher ein Teil des Problems, nicht der Lösung. Die Autoren weisen aber auch darauf hin, dass etwa Deutschland und Frankreich mit den Hilfskrediten für Spanien und Griechenland nicht zuletzt angeschlagene heimische Banken gerettet hätten, die mit spanischen und griechischen Geldinstituten verflochten waren.

Denn auch der auf Rekordniveau verschuldete Exportweltmeister, eines der führenden Billiglohnländer Europas, und die unter Deutschlands zu billigen Exporten leidenden europäischen Nachbarn wie Frankreich stünden selbst kurz vor dem Abgrund. Nicht zuletzt deshalb, weil wir im Notfall mit Hunderten Milliarden Euro etwa für den korruptesten Staat Europas, nämlich Griechenland, haften müssen. Dabei sind die Deutschen im europäischen Vergleich nicht einmal besonders vermögend: Ihnen fehlen vor allem selbst genutzte Immobilien (v.a. eine Folge der beiden Weltkriege, F.W.). Und vom Euro profitieren auch wir Deutschen nicht, exportieren wir doch zunehmend in Nicht-EU-Länder. Letztlich verlieren in dem Casino der Finanzmärkte alle Beteiligten – außer, wie im echten Casino, die Banken. Sie werden als angeblich „systemrelevant“ mit Unsummen künstlich am Leben gehalten, ändern aber nichts an ihren hochriskanten Geschäftspraktiken oder an den Phantasiegehältern und -abfindungen für ihre Vorstände, sondern betrügen den Staat noch unter Ausnutzung von Gesetzeslücken, wie im November 2013 in Deutschland ans Licht kam.

Die Banken können, so Weik und Friedrich, solange damit weitermachen, bis das Finanzsystem in naher Zukunft kollabiert. Das wird dann passieren, wenn ein Staat nach dem anderen zahlungsunfähig wird. Und viele Länder stehen ja kurz davor. Denn Kredite im weiteren Sinne sind ein notwendiger Motor unseres Wirtschaftssystems: Jede Ware, jede Dienstleistung wird auf Kredit gekauft. Otto Normalverbraucher bezahlt kleinere Summen sofort, aber Staaten nehmen größere Kredite auf und verschulden sich damit früher oder später hoffnungslos. Denn sie können nicht nur irgendwann bestenfalls noch die Zinsen zurückzahlen, aber nicht mehr das Darlehen selbst, sondern die zu tilgenden Summen wachsen dank Zinseszins exponentiell, also ins Unermessliche. Kreditgeber für den Staat und damit Profiteure dieser fatalen Entwicklung sind aber nicht die Banken, sondern letztlich die zahlungskräftigen Kunden, die ihnen Geld leihen. Deshalb klafft die Schere zwischen Arm und Reich nicht nur in Deutschland immer weiter auf, deshalb wird der Staat – also letztlich wir Alle – wegen der Notwendigkeit der Kreditaufnahme und -tilgung immer ärmer und holt sich früher oder später Geld bei denjenigen, die sich nicht wehren können – Stichwort: Abbau der Sozialleistungen.

Daraus zieht „Der Crash ist die Lösung“ aber andere Schlussfolgerungen als die offizielle Politik, die verbissen am Euro als angeblichem Symbol der europäischen Einheit festhält und uns unter Bruch gültiger internationaler Verträge mit Unsummen für Pleitestaaten geradestehen lassen will, kurzum: den Kollaps der Finanzmärkte nur hinauszögert. Der Titel verrät es schon: Weik und Friedrich plädieren dafür, den Euro scheitern zu lassen und Staatspleiten in Kauf zu nehmen, statt sie für Unsummen länger hinauszuzögern. Die dafür nötigen Schuldenschnitte träfen alle gleichermaßen, Kleinsparer wie Superreiche. In einem eigenen Kapitel diskutieren die Autoren daher auch, wie man sein Vermögen mit möglichst geringen Verlusten über die drohende Krise hinweg retten kann.

„Der Crash ist die Lösung“ erdet damit seine weit ausgreifenden Thesen. Und leider bleiben es weitgehend Thesen. Denn die vielen Fakten, die Weik und Friedrich bis dahin zusammengetragen haben und die auch interessierten Laien weitgehend bereits bekannt sind, werden erst im zusammenfassenden letzten Kapitel zu einer halbwegs stringenten Argumentation verbunden. Alternative Perspektiven würdigen Weik und Friedrich kaum, etwa die Forderung nach der Ersetzung von Zins und Zinseszins durch eine Umlaufsicherungsgebühr, wie sie der emeritierte Volkswirtschaftler Bernd Senf aufstellt. Sie wollen auch nicht Soziologie betreiben wie der französische Ökonom Thomas Piketty, der in seinem „Kapital des 21. Jahrhunderts“ die weltweit wachsende Ungleichheit primär auf das Auseinanderklaffen von Rendite und Erwerbseinkommen zurückführt, was ihm zufolge dem Kapitalismus selbst auf Dauer schadet. Während Piketty u.a. eine Erhöhung von Vermögens- und Erbschaftssteuer sowie des Spitzensteuersatzes der Einkommenssteuer zur Lösung dieses Problems vorschlägt, halten sich Weik und Friedrich bei ihren Vorschlägen für ein vereinfachtes und gerechteres Steuersystem eher zurück.

Fazit: „Der Crash ist die Lösung“ liefert das nötige volkswirtschaftliche Basiswissen für ein Verständnis der anhaltenden Finanzkrise und der Warnungen vieler Ökonomen vor einem Kollaps unseres Finanzwesens. Wer schon „Der größte Raubzug der Geschichte“ gelesen hat, wird dabei, von den Aktualisierungen abgesehen, kaum Neues finden. In Details mag das Buch zu kurz greifen, etwa wenn Griechenlands Probleme ausschließlich als Folge der Selbstbedienungsmentalität seiner Staatsdiener dargestellt werden; und über die Schlussfolgerungen, die Weik und Friedrich aus ihrem Faktengerüst abzuleiten versuchen, kann man streiten. Doch insgesamt erhellt „Der Crash ist die Lösung“ auf 340 leicht zu lesenden Seiten in überzeugender Weise viele einzelne wichtige, skandalöse ökonomische Fakten und Zusammenhänge, die man kennen sollte.

Matthias Weik und Marc Friedrich: Der Crash ist die Lösung. Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten.
Eichborn Verlag 2014. 384 Seiten.

ISBN-13 978-3-8479-0554-7 bzw. ISBN-10 3847905546 (gebunden 19,99 EUR, broschiert 9,99 EUR)