VON MAXIMILIAN REICHLIN | 24.10.2014 16:48

Personengebundene Hinweise machen jeden Menschen zum Straftäter

Das Bundeskriminalamt führt mehrere Datenbanken, in denen Menschen, beziehungsweise ihre Daten, mit diversen kriminellen Themenbereichen verknüpft werden können: Beispielsweise werden dort „Hooligans“ oder „Drogenkonsumenten“ aufgeführt. Um selbst in so einer Datenbank zu landen, muss man nicht einmal vorbestraft sein. Noch vor 2010 hatten mehrere deutsche Gerichte solche Datenbanken als rechtswidrig eingestuft, dann wurden sie jedoch vom Bundesrat auf sichere Füße gestellt. Wie landet man in solch einer Datenbank und welche Informationen werden dort gespeichert?

Das BKA sammelt in diversen Datenbanken schon seit vielen Jahren Personengebundene Hinweise (kurz: PHW), selbst wenn die betroffenen Bürger nicht vorbestraft sind, oder eine Anklage fallengelassen wurde. Laut ZEITonline sind es alleine schon rund eine Million Bürger, die in einer dieser Datenbanken als „Drogenkonsumenten“ aufgelistet werden, außerdem finden sich dort knapp 10.000 linksmotivierte sowie 20.000 rechtsmotivierte Straftäter.

Andere Datenbanken des BKA sammeln etwa Informationen über „Prostituierte“, „Rocker“ oder „Landstreicher.“ Insgesamt existieren 18 solcher Kategorien, in die ein Mensch beim BKA eingeteilt werden kann. Dazu reicht schon ein begründeter Anfangsverdacht. Auch unschuldige Beteiligte oder Zeugen einer Straftat könnten auf dem Schirm des BKA landen. Über das INPOL, das polizeiliche Informationssystem, können dann deutsche Beamte aller Länder auf die gespeicherten Informationen zugreifen.

Warum können Diktaturen überleben?

Für die Betroffenen bleibt ein Eintrag in einer der Datenbanken dabei selten ohne Folgen. So soll die Datenbank „Gewalttäter Sport“, die auch als „Hooligan-Datei“ bekannt ist und vom BKA bereits seit 1994 geführt wird, als Präventivmaßnahme dienen, um eingetragene Gewalttäter von Sportveranstaltungen fern zu halten. Auch wer als Unschuldiger auf dieser Datenbank landet, dem drohen unter Umständen Reiseverbote und Meldeauflagen – ähnlich einem Verurteilten Straftäter. Eine Benachrichtigung der Betroffenen erfolgt aber in der Regel erst mal nicht.

Vorstellbar ist auch, dass ein als „Drogenkonsument“ eingetragener Bürger bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle zusätzlich mit Schnell- oder Bluttests rechnen muss. Das ist aber offiziell nicht erlaubt. Die PHW dienen, laut BKA, der „Eigensicherung“ der Beamten, und dürfen nicht als Grundlage anderer Polizeimaßnahmen verwendet werden. Die Einteilung in eine Kategorie habe „taktische Gründe“ und diene lediglich als „interner Hinweis.“ Deswegen gibt das BKA auch keine konkreten Details zu den einzelnen Datenbanken heraus.

Datenschützer und Netzaktivisten üben derweil harsche Kritik an den PHW-Datenbanken. Vor allem die Menge und Art der Daten ist es, die den Kritikern dabei Sorge bereitet. Neben offensichtlichen Daten wie Name, Anschrift und Alter können noch eine wahre Flut an anderen persönlichen Informationen abgespeichert werden, etwa Spitznamen, Angaben zur äußeren Erscheinung, Handschriftenproben oder Zahnschemata. Der Weblog „law blog“ kommentiert sarkastisch, es sei überraschend, dass die Namen der Haustiere nicht in der Liste auftauchen.

Bis 2010 hatten mehrere deutsche Gerichte eine solche Vorgehensweise für rechtswidrig erklärt. Es fehlte eine gültige Rechtsverordnung, die regeln sollte, welche Daten in solchen Datenbanken gespeichert werden durften. Kurz vor einer endgültigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall der umstrittenen „Hooligan-Datei“ hatte Innenminister Thomas de Maizère in einer Blitzaktion eine entsprechende Rechtsgrundlage geschaffen und damit das Sammeln der PHW auf sichere Beine gestellt. Seitdem ist das Anlegen und Füllen solcher Datenbanken in der BKA-Datenverordnung geregelt.