VON RICHARD KEHL | 09.10.2012 14:37

Filmkritik: Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Zeit ist relativ. Dokumentarfilmer Florian Opitz, hat sich auf die Suche nach ihr begeben und stellte fest, dass wir durch Globalisierung zur Geisel der Zeit geworden sind, in der Freizeit immer mehr zum Luxus wird.

Florians verstorbener Vater war leitender Funktionär beim Saarländischen Rundfunk, Inhaber des Deutsch-Französischen Journalisten-Preis und später Arte Mitbegründer. Das hat seinem Sohn Florian Opitz sicherlich auch den Quer-Einstieg als Dokumentarfilmer erleichtert. Der Filmemacher Opitz war nie auf einer Filmhochschule, aber das war ein Steven Spielberg auch nicht und trotzdem wartet die zweite Kinodokumentation mit bildgewaltigen Argumenten und Spezialeffekten auf, die sonst nur in aufwendigen Action-Hollywood-Produktionen zu sehen sind: Hochauflösende 4K-Zeitrafferaufnahmen, 3-D Animationen, hektische Kameraschnitte mit einprägsamen Nahaufnahmen sind nur einige Filmelemente, die dafür sorgen, dass man zumindest zu Beginn der Dokumentation gebannt auf die Leinwand blickt. Nicht mit Action, sondern mit dem Thema des Burnout-Syndroms und Entschleunigung beschäftigt sich „Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“.

Florian Opitz

Auslöser hierfür ist die eigene Geschichte von Florian Opitz und die Geburt seines Sohnes. Er musste feststellen: er hat immer weniger Zeit, ein Burnout droht, aber warum und wieso, stellt sich nun die Frage. Das versucht die Dokumentation „Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zu beantworten. Florian Opitz wäre nicht Florian Opitz, wenn er dabei nicht sozialkritische Aspekte in den Vordergrund stellen würde.

Zu Beginn der Dokumentation tritt ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung in Erscheinung, der sich selbst digitales Fasten verschrieben hat und feststellen musste, wie abhängig er von den neuen Medien - angefangen von E-Mail bis Smartphone - geworden ist. Ebenso wurde der showmäßig inszenierte Auftritt eines Zeitmanagement-Gurus mit der Kamera begleitet. Primär dienen seine „Predigten“ und „Weisheiten“ und Show-Zaubertricks zu diesem Thema dazu, den Verkauf seines Buches anzukurbeln. Die weitere Reise von Florian Opitz führt ihn in die Schweiz zu einem finanziell unabhängigen, ehemaligen Investmentbankers. Dieser bedient nicht mehr den Finanzmarkt, sondern Touristen auf seiner Alm. Im Vergleich dazu interviewt er eine Bergbauernfamilie, die ihren eigenen Zeit-Rhythmus und Lebensstil zelebriert, sich aber auch immer mehr mit Preisdumping und der damit verbundenen Globalisierung konfrontiert sieht. Auch Bhutan, das mit seinem Bruttonationalglück zu den 10 glücklichsten Ländern der Welt zählt, steht auf dem Reiseplan von Opitz. Seine Recherchen haben ergeben, dass auch das Glück dieses Landes durch die zunehmende Globalisierung immer mehr gefährdet ist, auch dadurch, dass die Schere zwischen arm und reich zunehmend größer wird. Passend dazu bringt er auch die Diskussion um das „absolute Grundeinkommen“ mit rein.

Im Laufe der Dokumentation interviewt er noch den Soziologen Hartmut Rosa, zum Londoner Finanzmarkt. Sogenannte Consultants der Finanzbranche Londons, wandeln Zeit in Geld um, mit Hilfe von Computern. Diese errechnen in Bruchteilen von Millisekunden entsprechende Logarithmen für den Finanzmarkt, ohne jegliche Rücksicht auf ethische Bedenken. Die Computer haben hier die Macht übernommen, ähnlich wie im Science Fiction Film „Terminator“. Den Abschluss seiner Reise bildet der Besuch des Esprit Konzern Gründers Douglas Tompkins im chilenischen Dschungel. Dieser investiert sein verdientes Vermögen zum Schutze der Umwelt.



So rasant und packend die Doku „Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit beginnt“, so verlangsamt sich die Geschwindigkeit zunehmend im Film. Zu viele Themen werden von Florian Opitz angeschnitten, manche unterhaltend, manche grotesk, manche beängstigend aber auch leider einige ermüdend. Gerne hätte man der ein oder anderen Geschichte länger zugehört, anderen eher weniger.

Kinostart war am 27.09.12