VON ALEXANDER STIEHLE | 29.10.2012 12:31

BGE – Das Bedingungslose Grundeinkommen

Jeden Monat 1000 Euro auf dem Konto, ohne etwas dafür zu tun? Hört sich doch gut an, oder? Das BGE, das sogenannte bedingungslose Grundeinkommen, soll dies leisten können. Utopisches Wunschdenken, oder realistische Gesellschaftsform?

Schaffe, schaffe, Häusle baue. Der Schwabe wusste es schon immer: Arbeit ist wichtig. Stimmt auch, denn nur durch Arbeitsleistungen kann unsere Gesellschaft in dieser Form existieren, wie es heutzutage der Fall ist. Doch mittlerweile hat das Arbeiten einen enorm hohen Stellenwert in unserem Leben eingenommen. Wer jede Woche 60 Stunden arbeitet, brüstet sich damit. Der Tag hat jedoch nur 24 Stunden. Was bleibt da natürlich auf der Strecke? Man selbst.

Das BGE soll die Voraussetzung zur individuellen Freiheit zur Selbstverwirklichung schaffen. Hierbei soll jedem Bürger ein gewisser Betrag monatlich zur Verfügung stehen, ohne dass dafür eine Gegenleistung erbracht werden muss. Dabei entfallen aber auch alle steuer- und abgabefinanzierten Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld. Außerdem wird auch keine Bedürftigkeitsprüfung vorgenommen. Das Ganze hört sich etwas nach idealistischem Wunschdenken an, doch es gibt durchaus Ansätze und Modelle, die nahelegen, dass so eine Reform machbar wäre. Eins dieser Modelle, das Ulmer-Modell, wurde 1996 an der Universität Ulm unter der Leitung von Helmut Pelzer entwickelt und stellt eine aufkommensneutrale Grundsicherung für alle Bürger dar. Laut diesem Modell sei das derzeitige System zur sozialen Sicherung kaum noch in der Lage seine Aufgaben zu erfüllen. So mache es zum Beispiel Bürger zu Bittstellern und Almosenempfängern. Außerdem nehmen viele Bedürftige ihre Ansprüche aus Scham oder Unwissenheit nicht wahr. Bei diesem Modell werden alle Bruttoeinkommen mit einem festen prozentualen Abgabesatz belastet (Steuerschuld) und jeder Bürger erhält den gleichen Auszahlungsbetrag (Grundeinkommen). Dann werden Steuerschuld und Grundeinkommen gegeneinander aufgerechnet. Ist die Steuerschuld höher, ist der Betrag als Steuer zu zahlen, anderenfalls wird der Betrag als staatlicher Zuschuss zum Einkommen ausgezahlt. 2004 haben Helmut Pelzer und Ute Fischer anhand eines weiterentwickelten Modells die praktische Umsetzung nachgewiesen.

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In manchen Ländern ist das BGE jedoch nicht nur ein Theoriekonstrukt auf einem Blatt Papier, sondern schon Wirklichkeit. Alaska hat weltweit als erstes ein (teilweises) Grundeinkommen eingeführt. Seit 1982 wird an alle Einwohner, die seit mindestens einem Jahr in Alaska leben, eine Dividende des Alaska Permanent Fund ausgezahlt. Diese Dividende wird an alle Kinder und Erwachsene ohne jegliche Bedingung ausgezahlt. Mindestens 25 Prozent der Erträge aus den Verkäufen natürlicher Ressourcen (wie Öl oder Gas) werden in den Alaska Permanent Fund zu weiteren Investitionen eingezahlt. Die Dividende schwankte bisher zwischen 331 Dollar bis 3.269 Dollar pro Jahr.

In Namibia wurde im Januar 2008 ein zweijähriges Pilotprojekt zur generellen Einführung eines BGEs gestartet. Die Koalition, die dieses Projekt ins Leben gerufen hatte, erhoffte sich dadurch die Regierung davon zu überzeugen ein landesweites BGE einzuführen. Insgesamt 930 Einwohner haben ein monatliches Einkommen von je 100 namibischen Dollar bekommen, was 12,40 US-Dollar entspricht. Die Ergebnisse sind sehr positiv ausgefallen: die Rate der Schulabbrecher fiel von 40 Prozent auf fast 0 Prozent, die Rate der erwerbstätigen stiegt von 44 Prozent auf 55 Prozent. Das Projekt ist Ende 2009 ausgelaufen. Trotz der positiven Ergebnisse hat die namibische Regierung die Einführung des BGEs bisher abgelehnt, aber die Koalition bemüht sich weiterhin die Regierung von der Einführung eines BGEs zu überzeugen.

Dem Modell stehen natürlich auch viele kritisch gegenüber. Gegner befürchten, dass ein BGE die Bürger zur Untätigkeit verleite. Besonders wenn das eigene Einkommen so gering ist, sodass es sich eigentlich gar nicht lohnt zu arbeiten. Außerdem seien die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in keinem Modell vollends vorhersehbar. Letztendlich könne das BGE auch ein Anreiz für verstärkte Einwanderung sein.