VON JULIA ZETZ | 20.07.2012 11:22

Soziale Kluft in Deutschland – arm bleibt arm, reich wird reicher

Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, die Mittelschicht verschwindet beinah vollständig. Warum profitieren gerade in einer Industrienation wie Deutschland nur die ohnehin schon Reichen?


München, Landeshauptstadt mit rund 1,5 Millionen Einwohnern. Doch jeden Morgen das gleiche Bild: gehetzte Menschen auf dem Weg in die Arbeit. U-Bahnen und S-Bahnen sind überfüllt, jeder ist in Eile. Und dazwischen: Obdachlose, die auf den Stufen zu den Zügen schlafen, weil es dort wenigstens ein bisschen warm ist. Geht man dann mittags zum Essen sind sie verschwunden.

Deutschlands Kluft ist am Größten

In den letzten 20 Jahren ist die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland erheblich gewachsen. Eine Studie der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und der OECD zeigt, dass dieses Wachstum einmalig ist für eine Industrienation.

Die Studie zeigt, dass rund zehn Prozent der deutschen Arbeitnehmer etwa achtmal so viel verdienen wie die untersten zehn Prozent. Konkret heißt das: der Gutverdiener hat am Ende des Jahres gute 58.000 Euro auf seinem Lohnzettel stehen, der Geringverdiener nur knapp 7.400 Euro. Das sind monatlich etwa 4.000 Euro Unterschied.

Schuld an dieser Kluft zwischen Arm und Reich ist mitunter die Entwicklung der Löhne und Gehälter. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die Zunahme von Teilzeitarbeit und befristeten Verträgen.

Allein und arm

Soziale Ungleichheit

Deutschland hat sich in den vergangen Jahren einem starken sozialen Wandel unterzogen. Die Zahl der Alleinerziehenden und Singles ist gestiegen, die Löhne und Gehälter derer aber nicht. Kontrovers aber wahr: in etwa derselben Zahl fanden auch Paare zueinander, die auch das Gleiche verdienen.

Doch die Regierung stört das wenig. Nachrichtensprecher verkünden täglich eine positive Konjunktur und überhaupt suche man händeringend nach Fachkräften. Aber was ist mit der Alleinerziehenden Mutter, die keinen Kita-Platz bekommen hat? Oder dem 25-jährigen Techniker, der in Mathe nie so gut war, aber seine Ausbildung trotzdem gut abgeschlossen hat? Diese und viele weitere würden gern mehr verdienen und noch besser, sie würden auch dafür arbeiten.

Und was passiert vor der eigenen Haustür?

Unvorstellbare Summen hat die deutsche Regierung schon nach Griechenland geschickt. Nur damit der Euro wieder gestärkt wird, nur damit Deutschland seinen EU-Verpflichtungen nach kommt? Mag sein, aber was ist mit den Problemen vor der eigenen Haustür? Interesse zeigt die Regierung dafür nicht. Augen zu und durch scheint die Devise zu sein. Immerhin können sich Rentner in diesem Jahr über eine satte Rentenerhöhung freuen. Für die Meisten macht das monatlich rund 10 Euro aus.

Arm und Reich: woanders ist es auch nicht besser

Auch in anderen Industriestaaten ist die Kluft zwischen Arm und Reich groß. Schwellenländer wie Russland stehen zwischen den Stühlen. Einerseits soll das Wachstum angekurbelt werden, andererseits möchten auch sie die sozialen Missstände bekämpfen.

Ganz egal, ob Deutschland oder Schwellenland, die Kluft zwischen Arm und Reich wird weiter wachsen. Reformen wären angesagt, aber solange die Regierung nicht vor der eignen Türe kehrt, werden weiter Milliarden in die Rettung anderer Länder gesteckt. Denn die Probleme Anderer waren schon immer interessanter als die Eigenen.