VON SINEM S. | 23.05.2013 15:06

Menschenhandel in der EU

Sie gehören mittlerweile schon zum Stadtbild: Bettler, die sich auf Krücken stützen, Frauen, die ein Kind im Arm halten, oder solche, die einen bemitleidenswerten Hund zur Schau stellen. Ihre Unverfrorenheit macht einen oft wütend, doch die Menschen, die meistens aus den ehemaligen Ostblockstaaten stammen, werden von Menschenhändlerringen dazu gezwungen, tagtäglich für sie Geld zu erbetteln. Von den rund 80 Euro, die sie erwirtschaften, wird ihnen meist bis auf 5 Euro oder weniger, alles abgenommen. Trotz Polizeirazzien und flächendeckender Kontrollen sind sie mittlerweile überall anzutreffen. Das Problem der Armut und der Verzweiflung in ihren Herkunftsländern macht den organisierten Menschenhandel erst möglich.

Weltweit werden Jahr für Jahr Millionen von Menschen, darunter meist Frauen und Kinder, zur Arbeit gezwungen, in andere Länder weiter verkauft und körperlich und seelisch schwer misshandelt. Laut einer Studie, die die Brüsseler EU-Kommission nun vorlegte, steigt die Zahl der Opfer stetig, auch in der EU. Die meisten Zwangsarbeiter stammten aus Rumänien, Bulgarien oder Afrika und Südamerika.

Auf unbestimmte Zeit geliehen – Das Phänomen „Leiharbeit“ in Deutschland

Bereits vor zwei Jahren wurde eine neue EU-Richtlinie verabschiedet, die den Menschenhandel eindämmen sollte. Allerdings wurde diese erst von Tschechien, Lettland, Finnland, Schweden, Ungarn und Polen umgesetzt. Deutschland zum Beispiel ließ die Frist zur Umsetzung am 05.04.2013 verstreichen. Der Grund: Man streitet hierzulande immer noch darüber, wie man eine schärfere Verfolgung und einen besseren Schutz der Opfer gewährleisten könnte. Die Richtlinien sollen laut Bundesjustizministerium eins-zu-eins umgesetzt werden, ob das Strafrecht dann wirklich verschärft wird, ist noch die Frage.

Auch UNICEF kritisiert die unzureichende Härte beim Vorgehen gegen Menschenhandel, das Problem liege immer noch darin, dass die Beweislast beim Opfer liege. Dies ist in der Praxis oft unmöglich, da Opfer ihre Aussagen zurückziehen müssen, weil sie bedroht werden, oder erst gar nicht anklagen wollen, aus Angst um ihre Sicherheit. Zudem müssen die Opfer fürchten, wieder in ihr Herkunftsland abgeschoben zu werden, wo sie erneut Armut und Kriminalität erwartet und es ein leichtes Spiel für die Menschenhändlerringe ist, ihrer Opfer habhaft zu werden.

Nach der Brüsseler Rüge in Bezug auf die Untätigkeit der Politiker, was Menschenhandel betrifft, wollen Union und FDP jedoch mit strengeren Gesetzen gegen Zwangsprostitution hierzulande vorgehen, auch das Bordellrecht soll schärfer reguliert werden. Nachdem 2001 die Regelungen in Bezug auf Prostitution gelockert wurden und der Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht mehr gegeben war, stieg die Anzahl der Fälle von Zwangsprostitution laut dem EU-Kommissionsbericht stark an. Die Kontrolle gestaltete sich nun schwieriger als zuvor, da jeder ohne Genehmigung derartige Etablissements eröffnen könne.

Aber nicht nur Zwangsprostitution ist ein brisantes Thema, auch die Zwangsarbeit ist in der EU weit verbreitet und teilweise noch schwerer zu erkennen, da die Opfer in Restaurants, Privathaushalten und im Hotelgewerbe massenhaft ausgebeutet werden, zu einem Hungerlohn oder gar ohne Bezahlung. Laut dem Deutschen Institut für Menschenrechte, das 2009 ein großangelegtes Projekt zum Thema Zwangsarbeit in Deutschland startete, gibt es kaum verlässliche Zahlen, was die moderne Sklaverei betrifft. Das Problem ist hierbei, dass vor allem Migranten hinsichtlich ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werden, ihr oftmals illegaler Aufenthaltsstatus hält sie davon ab, Anzeige gegen ihre Peiniger zu erstatten, aus Angst, wieder abgeschoben zu werden, oder selbst kriminalisiert zu werden. Hier sollte ein stärkerer Opferschutz greifen, der es Betroffenen ermöglicht, angstfrei ihr Recht einklagen zu können.