VON JOACHIM SCHEUERER | 18.09.2013 14:38

Lobby gleich Legislative? - Wieviel Macht haben Lobbyisten über unsere Gesetze?

An die 15000 Lobbyisten versuchen schätzungsweise zu ihren Gunsten Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess der Europäischen Union in Brüssel zu nehmen. Das sind im Schnitt mindestens 20 Lobbyisten, die einem EU-Abgeordneten gegenüberstehen. Der gemeinnützige Verein LobbyControl spricht sogar von 20000 Lobbyisten, wovon 70% Vertreter aus der Wirtschaft sein sollen. Als besonders mächtig gelten die Finanz-, die Lebensmittel-, die Energie- und die Pharmalobby. Aber auch Verbraucherverbände, NGOs oder zivile Organisationen, wie die katholische Kirche versuchen vor Ort ihre Interessen in die Gesetze miteinzubringen. Das einzige Problem dabei ist die finanzielle und personelle Überlegenheit der Wirtschaftsunternehmen, die den Beamten der EU-Kommission allem Anschein nach Gesetze regelrecht in die Feder diktieren können.

Bis zu drei E-Mails mit luxuriösen Essens-, Reise- und Vergnügungseinladungen von unterschiedlichen Interessensverbänden, erhält der, wegen angeblicher Verwendung öffentlicher Mittel für private Zwecke selbst schon einmal in die Kritik geratene, EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin am Tag. Obwohl solche Praktiken offiziell beargwöhnt werden und auf die Entscheidungsträger der EU angeblich eher "irritierend" wirkten, wie sogar die Chefin der wichtigsten Lobbyvereinigung der Lebensmittelindustrie "FoodDrinkEurope", Mella Frewen betont, beschreiben Abgeordnete wie z.B. auch Jan Philipp Albrecht regelrechte Sturmfluten an Aufforderungen, Überredungsversuchen und Änderungsanträgen, die regelmäßig über sie hereinbrächen.

Und in den USA?

Und scheinbar haben die verschiedenen Methoden der Lobbyisten auch immer wieder großen Erfolg, wie zumindest die Funde von Lobbyplag.eu, dem Pendant zu Online-Plattformen um die Plagiatsfälle von Guttenberg und Co., suggerieren. Mitinitiator von Lobbyplag und Journalist Richard Gutjahr dokumentiert hier und auf seinem eigenen Blog die verblüffenden Übereinstimmungen zwischen Gesetzesvorschlägen von Wirtschaftsvertretern und den endgültig verabschiedeten Gesetzen, beispielsweise im Falle der neuen EU-Datenschutzverordnung, die komplett übernommene Textpassagen eines Amazon-Antrages enthält. Und auch die Kollegen von Google, Ebay, Facebook etc. versuchen die neuen Datenschutzbestrebungen der EU zum vermeintlichen Wohle der zukünftigen digitalen Wirtschaft mitzugestalten, heißt zu verwässern und zu lockern.

Natürlich kann man Lobbyismus nicht per se verteufeln und wie bereits erwähnt sind Lobbyisten nicht nur Vertreter multinationaler Konzerne. Wie es auch in der Lobbyismus-Dokumentation "The Brussels Business" , welche Arte vor Kurzem ausstrahlte heißt, geht Lobbyismus im Ursprung auf den Versuch zurück, Abgeordneten mithilfe von Expertenteams zu helfen, die Komplexität verschiedener Sachverhalte angemessen bewältigen zu können. Doch das Bild, welches der Film von einflussreichen Lobbyorganisationen, allen voran des European Round Tables, der sich aus 50 Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden europäischer Großkonzerne zusammensetzt, zeichnet, erweckt wenig Vertrauen in die Rechtmäßigkeit und Ausgewogenheit der Entscheidungsfindungsprozesse in Brüssel. Zu häufig scheint Expertentum reiner Interessensdurchsetzung weichen zu müssen. Sicherlich haben die Filmer ihre eigene Perspektive, welche durch die Hochglanz- und Luxuskarosserie-Ästhetik nicht gerade subtil ist. Dennoch wirft der Film, nicht zuletzt durch die Eigenaussagen hochrangiger Vertreter des Lobbykosmos, berechtigte Zweifel an der Funktionstüchtigkeit der Demokratie in Brüssel auf. Maßnahmen der EU wie das "Transparency Register", welches die Geldflüsse von 4000 Unternehmen registriert, sind dabei aufgrund der Freiwilligkeit der Registrierung wenig effektiv. Um mehr Transparenz zu schaffen versucht die "Alliance for Lobbying Transparency and Ethics Regulation" (ALTER-EU), eine Koalition aus mehr als 200 Bürgerrechts-, Verbraucherschutz-, und Gewerkschaftsorganisationen, deshalb ein verpflichtendes Register und Regelwerk für Lobbyorganisationen zu erwirken. Und in diesem Falle stimmt der Satz, dass "Vertrauen zwar gut, doch Kontrolle besser sei" zur Abwechslung auch einmal. Denn auch wenn viele Lobbyisten den Einfluss des Geldes bagatellisieren, ist und bleibt die angebliche Wirkungslosigkeit großer Kapitalströme in Brüssel äußerst fragwürdig.