VON CLEMENS POKORNY | 30.09.2013 12:58

Politikwissenschaft studieren?!

Von wegen politikverdrossene Jugend: Das Fach Politikwissenschaft wird an deutschen Universitäten immer beliebter. Das Studium gestaltet sich abwechslungsreich und vielseitig, denn als sogenannte Integrationswissenschaft trägt die Politikwissenschaft starke interdisziplinäre Züge. Wo studiere ich das Fach am besten? Welche Inhalte umfasst das Studium? Und welche Berufe kann ich danach ergreifen?


Nicht erst seit der durch das Ende des Ost-West-Konflikts beschleunigten Globalisierung ist Politik, wenigstens auf nationaler und internationaler Ebene, immer komplexer und undurchschaubarer geworden. Wer blickt beim Euro, bei Syrien oder der Finanzkrise noch wirklich durch? Ein tieferes Verständnis vieler der drängendsten Probleme Deutschlands und der EU setzt oftmals überdurchschnittliche wirtschaft(swissenschaft)liche Kenntnisse voraus. Handeln auf staatlicher oder zwischenstaatlicher Ebene beschränkt sich aber natürlich nicht auf wirtschaftliche Felder. Wer Politik auf wissenschaftlichem Niveau durchdringen möchte, sollte über ein Studium der Politikwissenschaft nachdenken.

Masterstudiengang "Life Sciences Economics and Policy"

Weil Wirtschaft, aber auch Jura zu den für die Politik und die Wissenschaft von ihr unverzichtbaren Themengebieten gehören, müssen sich Politikwissenschaftler natürlich auch mit diesen auseinandersetzen. Ein Studium der Politikwissenschaft, das übrigens an fast allen Volluniversitäten möglich ist, umfasst darüber hinaus auch die Beschäftigung mit politischer Philosophie. Das Fach kann daher als Paradebeispiel für eine Integrationswissenschaft dienen, die Teilbereiche vieler anderer, eigenständiger Disziplinen in sich vereint. Als grundlegende Unterdisziplinen der Politikwissenschaft können gelten: Politische Theorie, Vergleichende Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen. Breitere Studien des Faches sollten auch Politische Soziologie, Politische Ökonomie, Verwaltungswissenschaft oder auch Geschlechterforschung einschließen. Dementsprechend untersuchen angehende und fertige Politikwissenschaftler politische Strukturen, Prozesse und Inhalte. Im Unterschied zur nahe verwandten Soziologie kann die Politikwissenschaft insbesondere in Deutschland als eher pragmatisch und positivistisch angesehen werden.

Als Studienort ragt in der Bundesrepublik das renommierte Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin heraus, das als größtes politikwissenschaftliches Institut Deutschlands eine besonders breit gefächerte Ausbildung garantiert. In München gibt es eine eigene Hochschule für Politik, die sich die enge Verzahnung von Theorie und Praxis auf die Fahnen geschrieben hat und mit besonders guter Vereinbarkeit von Studium und Beruf sowie der Möglichkeit eines Grundstudiums auch ohne Allgemeine Hochschulreife wirbt. Als selbstständige Einrichtung der Ludwig-Maximilians-Universität steht sie in Konkurrenz zu deren politikwissenschaftlichem Geschwister-Scholl-Institut, das mit dem Centrum für angewandte Politikforschung über ein Institut für Politikberatung verfügt, das auf dem Wege von Drittmittelprojekten eine besonders enge Verbindung zur politischen Praxis pflegt.

Doch einen Arbeitsplatz in der Forschung streben nur etwa 20% aller Studenten des Faches an. Viele der bundesweit rund 31.000 Studenten – Tendenz steigend – kommen in den Medien unter, einige auch in der Unternehmens- und natürlich der Politikberatung – immerhin gelten Politikwissenschaftler als Akademiker mit besonders guter Allgemeinbildung, kein Wunder angesichts der Interdisziplinarität des Studiums. Die wenigsten dagegen werden echte Praktiker: Im Bundestag etwa dominieren, wie im Höheren Dienst der öffentlichen Verwaltung, noch immer die Juristen.