VON MAXIMILIAN REICHLIN
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02.09.2014 13:41
Das Dorf und das Endlager – Französische Regierung plant Atomlager unter Bure
Kaum ein anderes Land in Europa hängt so sehr an dem in Kritik geratenen Atomstrom wie Frankreich. Dementsprechend groß sind die Probleme mit dem verstrahlten Müll. Händeringend sucht die französische Regierung nach geeigneten Lagermöglichkeiten. Nun wollen zwei der größten französischen Atomkonzerne eine Lösung gefunden haben: Ein Versuchszentrum unter der Erde, mitten in der Provinz, soll die Rettung bringen und den Atommüll über Jahrtausende hinweg sicher aufnehmen. Schon lange läuft die Debatte um das geplante Lager, nun regt sich zum ersten Mal Protest.
Einen Bericht über das geplante Atommülllager in Bure könnte man wie einen Asterix-Comic einleiten: Wir befinden uns im Jahr 2014 nach Christus. Ganz Frankreich ist von Befürwortern der Lagerpläne besetzt. Ganz Frankreich? Nein! Ein von unbeugsamen Franzosen bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Atommüll Widerstand zu leisten. Unter dem kleinen Dorf, 150 Kilometer von der deutsch-französischen Grenze entfernt, soll das neue Lager für hochradioaktiven Atommüll entstehen. Ein Endlager, unterstellen Kritiker und Gegner. Lediglich ein Versuch, behaupten Befürworter und Betreiber. Ein Test, wie Atommüll am Besten und Sichersten gelagert werden kann. In 500 Metern Tiefe, geschützt durch eine 130 Meter dicke Lehmschicht, soll das Hightech-Tunnelsystem entstehen, indem bis zu 240.000 Fässer Atommüll bis zu 100.000 Jahre lang sicher aufbewahrt werden sollen. Dieses „Märchen“ wollen Gegner des Riesenprojektes jedoch nicht schlucken und planen nun den Widerstand.
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Schon seit den 90er-Jahren forscht die französische Atommüllagentur
ANDRA unter Bure (89 Einwohner; Stand: 2011). Zwei weitere in Frage kommende Gegenden sollten ebenfalls als potenzielle Standorte des Projektes „Cigéo“ untersucht werden, nach Protesten wurden schließlich nur die Untersuchungen in Bure umgesetzt. Und das in einem gewaltigen Maßstab.
Bereits jetzt existiert ein unterirdisches Forschungslabor, in dem auch deutsche Experten beständig die Eignung der Region für die Einlagerung des Atommülls untersuchen. Rund 1,6 Milliarden Euro wurden bereits von Frankreichs Atomkraftriesen Areva und EDF investiert, das fertige Lager soll insgesamt das Zehnfache kosten. Auch Gelder der europäischen Atomgemeinschaft Euratom sind bereits verbaut worden.
Kritik für dieses Projekt gab es schon immer, einen organisierten Protest dagegen noch nicht. Umweltschützer und Aktivisten haben Probleme damit, das verschlafene Dorf Bure in die nationale und internationale Aufmerksamkeit zu rücken. Eine geforderte Beteiligung der betroffenen Bürger wurde bereits von der Regierung abgelehnt,
nun jedoch soll es zum organisierten Protest kommen. Im Netzwerk „
Bure Stop!“ haben sich bereits Anwohner und andere Gegner des Projekts zusammengetan, in Bure selbst wurde, wohl als Antwort auf das von Areva und EDF eingerichtete Besucherzentrum, ein „Haus des Widerstandes“ eröffnet. Man wolle demonstrieren und sich nötigenfalls anketten.
Von solchen Zuständen ist man anderswo, beispielsweise in Deutschland, noch weit entfernt. Während in Bure beim Thema Atommüll bereits Nägel mit Köpfen gemacht werden, hapert es hier noch an der Organisation. Zwar gibt es nun mit der neu-gegründeten „
Kommission Lagerung hochradioaktiver Abfälle“ (kurz: „Endlager-Kommission“) ein Gremium für die gesellschaftliche Debatte rund um den Atommüll, bisher wurden jedoch erst zwei Sitzungen abgehalten, die letzte vor 6 Wochen. Aktivisten und Außenstehende versuchen nun, Transparenz über diese Sitzungen herzustellen, tun sich damit allerdings schwer, denn umfassende Protokolle oder Mitschriften existieren noch nicht. Auch mit der inhaltlichen Arbeit wurde noch nicht begonnen, wofür die Kommission bereits jetzt harsche Kritik erntet. Ein kleiner Trost jedoch: Ein zweites Bure ist damit zum aktuellen Zeitpunkt in Deutschland nicht zu erwarten.