VON IMMANUEL RAHMAN | 28.06.2017 13:02

Fake News, Leberkäs' und falscher Hase

Trump, Obama, oder Pharao Ramses - Bei wessen Amtseinführung waren jetzt eigentlich mehr Schaulustige anwesend? Diese und andere wichtige Fragen werden uns schon bald nicht mehr den Schlaf rauben, denn darüber entscheidet aller Voraussicht nach demnächst das facebook-Kompetenz-Team und kennzeichnet für uns einfältige User alles Unwahre mit dem Prädikat 'Fake News'.





Im Auftrag des Herrn... Zuckerberg

Genau genommen soll auf dem Post ja nicht Fake News, sondern „von Faktenprüfern außerhalb von Facebook angezweifelt“ stehen; ergänzt durch einen Link, der zu einer Begründung dieser Einstufung führt. Betreffender Post soll auch nicht gelöscht werden, kann sogar auch weiter geteilt werden, darf aber nicht mehr die Bewerbungsfunktion in Anspruch nehmen.

In Deutschland will das Soziale Netzwerk mit dem gemeinnützigen, teils durch Spenden finanzierten Recherche Zentrum CORRECTIV zusammenarbeiten, das sich selbst auf seiner Internetseite mit den Worten „Wir decken Missstände auf. Wir sind unabhängig und nicht gewinnorientiert.“ beschreibt. Wenn man in Betracht zieht, dass das Jahresgehalt des Publishers und inhaltlichen Geschäftsführers David Schraven 2015 laut Geschäftsbericht von 36.338 € auf 111.038 € erhöht wurde, kann man sagen, dass zumindest einer gewinnorientiert arbeitet. Das kann aber auch bedeuten, und davon wollen wir hier ausgehen, dass er nun dreimal so investigativ für das Gemeinwohl recherchiert, wie noch im Jahr 2014.

In Sachen Fake News Bekämpfung auf facebook ist folgende Vorgehensweise geplant: Befinden User/-innen einen Post für unglaubwürdig, erhalten sie die Möglichkeit, ihn dementsprechend zu markieren. Kommt die daraufhin erfolgende Prüfung zu dem Ergebnis „Fake News positiv“, wird dieser Post, wie eingangs beschrieben klassifiziert.

Blass ist alle Theorie

Soweit die Theorie. Wenn man allerdings aufgewacht ist und sich den Schlaf aus den Augen gerieben hat, stellt sich einem doch die ein oder andere Frage zur konkreten Umsetzbarkeit. Zweifellos ist die zu Grunde liegende Idee, Wahres von Falschem zu trennen, um dadurch möglicherweise Irreführungen, oder schlimmerenfalls Angst und Hysterie zu verhindern, ein guter Gedanke; aber wie schafft es ein ca. 25-köpfiges Team in einem vernünftigen Zeitrahmen brisante potentielle Falschmeldungen zu prüfen? Bei einer Unmenge von Posts täglich.

Nehmen wir z.B. den Amoklauf im Olympia Einkaufszentrum in München. In diesem Fall hätte eine Fake-News-Kennzeichnung der Meldung, dass auch Schüsse in der Innenstadt gefallen seien, verhindert, dass im Hofbräuhaus eine chaotische Massenpanik ausbricht.

Unklar ist auch, ob alle Posts, die man für fragwürdig hält, überhaupt gemeldet werden können, bzw. ob Quellen, als da wären Vertreter der Bundesregierung, oder etablierte Medien per se als glaubwürdig eingestuft werden. Also nach dem Motto some animals are more equal. Gut, die Unfehlbarkeit des Papstes wurde ja 1869 im Ersten Vatikanischen Konzil beschlossen; aber wie sieht es denn mit unseren weltlichen Herrschern und Herrscherinnen aus? Nehmen wir mal das völlig aus der Luft gegriffene Beispiel, dass eines Tages auf gefälschten Satellitenbildern Hinweise auf Massenvernichtungswaffen nahe den von Goldvorkommen flankierten Ölquellen eines Landes, dessen Diktator vom Komplizen zum Feind degradiert wurde, gefunden werden und daher Befreiung und Zwangsdemokratisierung des Landes mit militärischen Mitteln unausweichlich bevorstehen. Machen die Wahrheitsprüfer/-innen dann mal eben schnell einen Betriebsausflug dort hin?

Wird es auch rückwirkende Prüfungen geben? Nehmen wir eine Äußerung Angela Merkels, die sich nach der Wahl als unwahr herausgestellt hat: „Mit mir wird es keine PKW-Maut geben“.

Man stelle sich folgenden Post vor:
„Die Rente ist sicher!“
„von Faktenprüfern außerhalb von Facebook angezweifelt“

Da wird es doch erst interessant, meine Damen und Herren! Politiker/-innen verweisen immer nur darauf, welchen Nutzen die Prüfung vor der Wahl bringe. Aber für den kleinen Mann vom Daten-Highway wird es doch erst hinterher spannend! Wenn es quasi an die Umsetzung der Wahlversprechen geht. Aber geht es wirklich um Verbesserungen für die normalen Bürger/-innen?

Cui bono?

Am besten kann wohl jeder für sich selbst beantworten, wie oft er einer Falschmeldung aufgesessen ist. Also bei mir bewegt sich das im Bereich von Null und weniger, als Null. Will heißen: Wozu das ganze Theater? Mögliche Antwort: Als potentielle Opfer sehen sich doch hauptsächlich Politiker; weswegen die Debatte ja auch eigentlich erst ins Rollen gebracht wurde. Man verfolgte sorgenvoll den amerikanischen Wahlkampf und dessen Auswüchse, bangend, dass sich der dortige Trend der Diskreditierung von Kandidaten und Kandidatinnen durch Falschmeldungen auch bei uns einschleichen könnte. So befürchten hiesige Politiker/-innen, ihr vielleicht nicht ganz so gefestigtes Ansehen bei den Bürgerinnen und Bürgern könnte schon durch eine kleine Falschmeldung vollends ins Wanken geraten.

Millionen von Missbrauchsfällen täglich

Das eigentlich erschreckende an der ganzen Diskussion ist aber, dass dabei auch klar wird, welch unverdient hohen Stellenwert facebook bei der Meinungsbildung der Menschen einnimmt. Es wird oft vergessen, dass es sich dabei nicht um ein Nachrichtenmedium mit gut recherchierten Beiträgen handelt. Und wenn die Menschen - teils aus Naivität, hauptsächlich aber aus Faulheit - meinen, gesichtslosen Fake-Profilen mehr Glauben schenken zu können, als etablierten Medien, in einem Netzwerk, das sowohl als Familienfotoalbum, als auch zum Abladen jeglicher Art geistigen Mülls verwendet wird, ist - solange man noch von mündigen Bürgerinnen und Bürgern ausgeht - größtenteils die Schuld bei den Userinnen und Usern zu suchen, die meinen, sich mit der wisch-und-weg Strategie umfassend über komplexe Themen informieren zu können.

Was wirklich hülfe

Was also tun, wenn man sich von Falschmeldungen umzingelt fühlt, in einem Netzwerk das 24/7 den 1. April feiert? Naja, man könnte z.B. aus diesem Netzwerk austreten, wobei man dabei natürlich auch billigend in Kauf nehmen würde, plötzlich 8.848 Freunde weniger zu haben, sowie in gesellschaftsrelevanten Themen, wie z.B. süße Kätzchen im Wäschekorb, nicht mehr mitreden zu können. Unvorstellbar!

Der Mensch in der "Filter Bubble"

Der vernünftige Umgang mit Medien, insbesondere mit dem „Spielzeug“ Internet muss bereits in Schule und Elternhaus gelehrt werden. Nur wenn dort den Kindern wirksame Prüfmechanismen an die Hand geben werden, vermittels derer sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Falschmeldungen entlarven können, kann auf bevormundende Wahrheitsprüfer/-innen verzichtet werden; aber leider kann man sich mit solch langfristigen Lösungsvorschlägen als Politiker/-in nicht so gut profilieren, wie wenn man hohe Strafen und andere Scheinlösungen fordert.

Irgendwie schmeckt es in diesem Fall doch auch wieder nach einem dieser aufoktroyierten Probleme, von denen man persönlich nicht wirklich sagen kann, dass sie einen betreffen (geschweige denn, Leute, die man kennt). Während einem dennoch unentwegt erzählt wird, es stünde bereits ganz schlimm. Hauptsache, es gibt wieder eine neue Sau, die sie durchs Dorf treiben können. Oh, das klingt ja fast schon nach Medienschelte... Nein, die etablierten Medien stehen hier nicht vor Gericht. Deshalb sollen deren Meldungen auf facebook auch von einer Wahrheitsprüfung ausgeschlossen werden. So es zumindest nach CORRECTIV-Geschäftsführer David Schraven geht. Er vertraue auf die Selbstregulierungsmechanismen.

Erst facebook, dann das Internet

Wie wird es weiter gehen? Vielleicht reicht die Markierung der Fake News in Zukunft nicht mehr aus, und man geht darüber hinaus dazu über, diese Posts gänzlich zu löschen. Wäre es abwegig zu prognostizieren, dass Gesetze erlassen werden könnten, welche die Prüfungs-Vorhaben bei facebook auf das umliegende Internet ausweiten? Seiten-Betreiber/-innen werden von der Regierung gezwungen, Inhalte auf privaten Websites zu löschen. Das liest sich doch fast wie eine Verschwörungstheorie. Die übrigens auch bald bestraft werden sollen, zumindest wenn es nach SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ginge. Wenn es wirklich einmal so weit kommt, bleibt einem nur noch zu sagen: Na dann Gute Nacht und ab ins Darknet!

Überschrift

Ach ja, die Überschrift. Leberkäs' ist eine kulinarische Fake News und falscher Hase das Lieblingsessen von Falschmeldungsautoren. Mahlzeit!