VON CLEMENS POKORNY | 28.01.2014 16:15

Wie Medien uns sprachlich manipulieren

Allein durch die Sprache manipulieren Medien unsere Wahrnehmung. Das findet sogar bei Meinungsumfragen statt, die eigentlich dem Zweck dienen sollten, erst herauszufinden, was eine Mehrheit der Menschen denkt. Das Politbarometer des ZDF ist ein trauriges Beispiel dafür. Doch wo Meinung immer mehr von den Medien gemacht und von deren Nutzern bloß noch rezipiert wird, gerät die Demokratie in Gefahr.

Medien generieren Mehrheiten nicht nur durch massive Fokussierung ihrer Aufmerksamkeit und damit derjenigen ihrer Rezipienten auf bestimmte Themen. Die Manipulation der Meinungsbildung beginnt bei tendenziöser Sprache, wie sie auch in Artikeln objektiver Gattungen in den sogenannten Qualitätsmedien wie SZ oder FAZ verwendet wird. Ironischerweise wird sie sogar dort evident, wo vorgeblich gerade nach der Meinung gefragt wird. Im Politbarometer vom 17. Januar 2014 fragte etwa das ZDF: „Ist für aktive Profi-Fußballer, die homosexuell sind, ein Outing ratsam?“ Das Wort „ratsam“ tritt, wie die Erfahrung zeigt, häufig in Kollokation mit dem Wort „nicht“ oder zumindest in negativen Kontexten auf; die Frage zu verneinen wurde den Befragten damit geradezu in den Mund gelegt. Stattdessen hätte man etwa formulieren können: „Würden Sie sich als aktiver, homosexueller Profifußballer outen?“ Ein weitere suggestive Frage im gleichen Politbarometer lautete: Wenn die USA einem Anti-Spionage-Abkommen nicht zustimmen sollten, sollte dann die Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit den Vereinigten Staaten generell eingeschränkt werden? Kein vernünftiger Mensch, und sei er noch so anti-amerikanisch eingestellt, würde diese Frage verneinen – doch eine sinnvolle Antwortalternative „nicht generell, aber in bestimmten Bereichen“ o.ä. gab es nicht. So wird gerade durch ein Instrument, das die Mehrheitsmeinung aufzudecken behauptet, die Meinung all derjenigen verdeckt, die eine wenigstens partielle Einschränkung der deutsch-US-amerikanischen Beziehungen befürworten. So entsteht das falsche Bild, die Mehrheit der Bevölkerung stehe trotz allem hinter Uncle Sam (Und qua Gruppenzwang schließen sich dann mehr und mehr Menschen dieser Meinung an...).

"Sozialtourismus" – Von neuen und alten Grenzen

Andere Fragen des Politbarometers erheben die Befragten, wie bei derartigen Umfragen ja üblich, zu Experten vor allem der Wirtschaftspolitik: Mit „Braucht Deutschland die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte?“ oder „Was sind die wichtigsten Probleme in Deutschland?“ lässt sich nur erfassen, wie erfolgreich die Massenmedien die Meinung ihrer Rezipienten gebildet haben. Denn man muss schon Experte sein, um Aussagen zu tätigen, die Gültigkeit nicht nur für den Befragten selbst, sondern für alle Menschen in diesem Land beanspruchen. In der Veröffentlichung dieser Fragen erklingt also der Tenor des Experten und zugleich schwingt das ZDF die Keule der angeblichen Mehrheitsgesellschaft. Ähnlich dreist konstatierte die ARD am 20. Januar 2014 einen „Gewaltigen Imageschaden für den ADAC“. Da wusste man noch keine zwei Tage, dass der Automobilclub die Teilnehmerzahlen an einer seiner Umfragen geschönt hatte, und Belege für einen „Imageschaden“ des ADAC in der Bevölkerung konnte Das Erste auch nicht erbringen – war auch nicht nötig, schließlich entstand der Gesichtsverlust ja gerade erst durch die mediale Empörung über dieses Faktum.

Es lohnt sich also, die massenmedial aufbereiteten Nachrichten genau zu rezipieren. Nicht nur das größte deutsche Boulevardblatt gaukelt Objektivität nur vor, auch vermeintliche Qualitätsmedien, so auch die beiden genannten öffentlich-rechtlichen, kommen ihrem namensgebenden Auftrag, bloße „Mittler“ zu sein, nicht nach. Statt Informationen liefern sie Meinungen. Das mag in einer immer unübersichtlicheren Welt dem Bedürfnis Vieler entgegenkommen, die unorganisierte Informationen schon aus Zeitmangel gar nicht verarbeiten könnten. Doch wo keine Meinungsbildung, sondern zunehmend Meinungskonsum stattfindet, gerät die Demokratie in Gefahr, weil wir immer mehr von der Meinung anderer abhängig und damit immer leichter von den Medien manipulierbar werden.