VON CHALTOTTE MEYER | 15.01.2016 16:29

Tourismus – ein Segen für Entwicklungsländer?

Tourismus wird von vielen Seiten und vor allem von der Branche selbst als großes Plus für schwache Wirtschaften gesehen. Tourismus bringt Devisen und schafft Arbeitsplätze. Vor allem in Ländern des globalen Südens richtet Tourismus jedoch erheblichen Schaden an – trotz der vermeintlichen Vorteile. Warum Peru ein Beispiel hierfür liefert und was das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für den Tourismus tut, berichtet UNI.DE.




Reisbauern für Hotels vertrieben

Peru ist ein Land mit reicher Geschichte und vielfältiger Natur. Über die Hälfte des Staatsgebiets ist von Regen- und Nebelwald bedeckt, knapp ein Drittel sind Hochland und der Rest des Landes liegt an der Pazifikküste. Geprägt ist das Land nicht nur durch die spanische Kolonialisierung, sondern auch Schätze und Bauwerke aus antiken Hochkulturen gehören zu seiner Geschichte. Viel spannender und exotischer Stoff also, der ausländische Touristen begeistern dürfte. Anfang der 2000er Jahre erregte die spanische Version eines Artikels des Informationsdienstes Dritte Welt-Tourismus in Peru für heftige öffentliche Diskussionen. Er thematisierte nämlich die Enteignung von Agrarflächen durch den peruanischen Staat zu touristischen Zwecken. Dabei wurde ein fast unberührter Sandstrand an der Grenze zu Ecuador in die Verfügungsgewalt des Staates gebracht, der diese dann an ausländische Investoren übertragen wollte. Doch nicht nur der Strand, sondern auch die angrenzenden 1.000 Hektar Grundbesitz von Reis- und Bananenbauern sollten mit veräußert werden. Wollten diese nicht verkaufen, drohte ihnen die entschädigungslose Enteignung. Nicht nur den Bauern, sondern auch Fischern würde die Existenzgrundlage entzogen. Viele Fischerdörfer hätten keinen Zugang zum Meer mehr und könnten sich nicht mehr versorgen. Von den Plänen zur Privatisierung der Strandregion erfuhren die Betroffenen erst nachdem diese in Kraft getreten war. Weder Bauernverbände, noch die Bauern selbst wurden bei der Entscheidungsfindung mit einbezogen. Aufgrund der öffentlichen Empörung, die dieser Artikel auslöste, legte die peruanische Regierung ihre Pläne vorerst auf Eis.

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Tourismus doch kein Segen?

Tourismus per se ist nicht schlecht, aber er muss zur Verbesserung von Lebensqualität beitragen, so der Vorsitzende des Komitees der Reisbauern in der Region damals. Tatsächlich sind die Vorgänge in Peru ein Negativbeispiel und zeigen, welche Folgen Tourismusprojekte haben können, die nur auf kurzfristigen Profit ausgelegt sind. Und nicht nur Enteignungen von Agrarflächen sind ein Problem; vor allem das Klima und die Umwelt leiden unter Ferntourismus. Durch Flüge geraten enorme Mengen an CO2 in die Atmosphäre und erhöhter Flächen-, Wasser und Energieverbrauch in Tourismusregionen schädigt die Natur. Eine Studie, die im Oktober 2015 vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) herausgegeben wurde, beschäftigte sich speziell mit dem Beitrag von Tourismus zu regionaler Entwicklung in Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie zeigt unter anderem, dass im Falle einer Verdoppelung von international Reisenden der Bildungsindex im Zielland um 0,02 Prozent ansteigt und sich der Zugang zu Elektrizität um 0,7 Prozent erhöht. In Bezug auf Einkommensungleichheit zeigt die Studie, dass sich die Unterschiede kurzfristig zwar verringern, sie langfristig aber wieder ansteigen. Diese Erkenntnisse zeigen so keine merklich positiven Auswirkungen von Tourismus, auch wenn der BTW in der Beschreibung der Studie konkret das Potenzial des Tourismus anpreist.

BMZ für nachhaltigen Tourismus

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wirbt auf seiner Internetseite ebenfalls mit Tourismus als Chance für Entwicklungsländer. Tourismus ist mittlerweile von einem Nischen- zu einem Massenprodukt geworden und Entwicklungsländer konnten ihren Marktanteil am weltweiten Reiseverkehr mehr als vervierfachen. In manchen dieser Länder ist Tourismus zur wichtigsten Devisenquellen geworden und nicht mehr wegzudenken. Dennoch weist das BMZ auch auf die Risiken von Tourismus hin und ermahnt die großen Tourismusunternehmen, ihrer Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft nachzukommen. Dementsprechend setzt sich das BMZ für eine nachhaltige Entwicklung von Tourismus ein und stellt sich gegen Vertreibung von lokaler Bevölkerung, Umweltzerstörung und überhöhten Ressourcenverbrauch. Einige Unternehmen der Privatwirtschaft kooperieren bereits mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und haben sich zu Kooperativen zusammengeschlossen, die sich an internationalen Arbeits-, Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards ausrichten.