VON NORA GRAF | 30.04.2015 14:37

Die Schattenseite der Jeans - Massenproduktion in China und ihre Folgen für Mensch und Umwelt

Die Jeans ist wohl eines der beliebtesten Kleidungsstücke weltweit: Für jeden Anlass passend, sei es als legere Arbeitskleidung oder als schickes Ausgehstück. In den letzten fünf Jahren sind die Verkäufe von Kleidung insgesamt um ein Drittel gestiegen – und damit auch die Produktion der beliebten Jeanshose. Doch mit der massenhaften Produktion der populären Hosen gehen auch katastrophale Folgen für die Umwelt einher sowie für die Menschen, die täglich in den Produktionsstätten arbeiten.



Chen Ling arbeitet seit etwa 10 Jahren als Mitarbeiter in einer großen Fabrik in China, die die Hosen für viele westliche Märkte herstellt. Er und seine Frau Mai kamen aus einem armen Dorf nach Xintang, mittlerweile die Welthauptstadt der Jeans, um Geld zu verdienen und damit ihre Eltern und ihre Tochter, die sie zurück ließen, unterstützen zu können. Beide arbeiten 15, manchmal 16 Stunden pro Tag, von 8 bis 23 Uhr mit einer Stunde Pause dazwischen. Chen näht die rechte Gesäßtasche und Mai die linke, immer das gleiche, 30 Tage im Monat, lediglich einen Tag haben sie frei. 300 Euro bringt das zusammen, Chen verdient 200 Euro, seine Frau Mai deutlich weniger. Und das nach 30 Tagen Doppelschichten. Zu zweit wohnen sie auf etwa vier Quadratmetern auf dem Fabrikgelände. Und jeden Monat hoffen sie, dass das Geld, das sie nach Hause zu ihren Verwandten schicken, reichen wird.

Diese Geschichte ist leider kein Einzelfall, vielen ergeht es sogar noch schlimmer. Die Arbeitskräfte in den Jeansfabriken müssen oft nicht nur unter menschenunwürdigen Zuständen arbeiten, sondern überdies noch unter lebensbedrohlichen und gesundheitsschädlichen Bedingungen, die sogar für manche tödlich enden. Schuld daran sind die auf alt gemachten Jeans, der „Used-Look“, da dafür das sogenannte Sandstrahl-Verfahren angewendet wird. Eine Technik, die international zwar geächtet ist, aber in der Praxis immer wieder vorkommt, da sie schnell und billig ist. Damit also die neuen Jeans den in westlichen Ländern angesagten Look bekommen, kommt der feine Sand zum Einsatz, den die Arbeiter mit Hochdruck auf die Jeans sprühen. Und das ist besonders gefährlich, da der feine Sandstaub tief in die Lungen der Mitarbeitenden dringt. Die Folge ist oft, dass diese nach Jahren an Silikose erkranken, der Staublunge. Diese Krankheit ist unheilbar und einige sterben daran. In der Türkei hat man das Sandstrahlen 2009 verboten, in China jedoch nicht. Das Sandstrahlen ist nämlich nicht nur billig, sondern auch lukrativ. Dadurch, dass die Jeans mehr oder weniger „kaputt“ gemacht werden, landen sie schon sehr bald wieder auf dem Müll und das ist gut für die Händler.

Es geht auch anders

Viele Labels wollen diese Praktik verbieten, doch kritische Stimmen behaupten, dass das nicht wirklich konsequent verfolgt wird. Die Markenhersteller verweisen immer wieder auf die chinesische Regierung, die dafür verantwortlich sei, die gesetzlichen Bedingungen zu schaffen und letztlich durchzusetzen. Doch auch wenn das Sandstrahlen nicht zum Einsatz kommt, so doch immer noch viele Bleichmittel mit viel Chemie und viel Wasser. Und das ist verheerend für die Umwelt. Denn bis die Stoffe für die Jeanshosen nach China zu den Herstellern kommen, ist die ökologische Bilanz dieser Produktionskette schon katastrophal. Die Baumwolle für unsere Hosen kommt vor allem aus Usbekistan, einem trockenen Land. Damit Baumwolle wächst braucht sie aber Sonne und Wasser, wofür ganze Flüsse umgeleitet werden, da nur so die riesige Produktion möglich ist.

Doch auch die Landschaft um die Fabriken in China ist vergiftet. In zigfachen Waschgängen müssen die Chemikalien, wie etwa das Bleichmittel Kaliumpermanganat oder die Azofarben zum Färben der Jeans, aus den Hosen gespült werden. Die giftigen Abwässer landen in den Flüssen der Umgebung. Moderne Kläranlagen fehlen, diese sind für viele Fabrikbesitzer, die für eine Jeans zwischen 3 und 4 Euro von ihren westlichen Auftraggebern bekommen, meist zu teuer. In manchen Flüssen lässt sich sogar deutlich die blaue Farbe vom Färben erkennen.

Wenn die Jeans dann am Schluss im Laden hängt, sieht ihre Ökobilanz in etwa folgendermaßen aus: Durchschnittlich 50.000 Kilometer hat jede einzelne Hose zurückgelegt, 30 Kilogramm Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre geblasen und rund 8.000 Liter Wasser verschmutzt.

Weil viele Hersteller fürchten, dass China bald zu teuer ist, könnte die Modeindustrie am Ende weiter nach Afrika ziehen. Man wird sehen, unter welchen Bedingungen die Menschen dann dort arbeiten und leben und ob die Ausbeutung von Mensch und Natur ungehindert weiter geht.