VON JASCHA SCHULZ
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22.01.2016 14:03
Der Global Terrorism Index 2015
Die Anzahl terroristischer Akte hat weltweit rasant zugenommen. Was dem kollektiven Gefühl entspricht, wurde nun durch das Institut for Economics and Peace bestätigt. Diese legten den Global Terrorism Index vor. Auffallend ist unter anderem, dass westliche Länder in weit geringerem Ausmaß Opfer von terroristischen Gewalttaten sind, als gemeinhin angenommen.
Bei der Debatte um Terrorismus argumentieren die meisten Menschen mit einem Halbwissen und verkaufen gefühlte Wahrheiten als Tatsachen. Das internationale Institut for Economics and Peace hat gegen Ende letzten Jahres den Global Terrorism Index veröffentlicht. Dieser legt nun Fakten bezüglich des globalen Terrorismus vor und räumt mit dem einen oder anderen Vorurteil auf.
Zunahme der terroristischen Gewalt
Die insgesamt stark gestiegene Zunahme terroristischer Gewalt weltweit ist sicherlich der besorgniserregendste Trend, der im Index zu finden ist. Im Gegensatz zu 18.211 Toten 2013 verzeichnete das Institut 2014 32.658 Todesopfer. Dies entspricht einem Anstieg von 80 Prozent. Im Gegensatz zum Jahr 2000, in dem es 3.329 Opfer gab, hat sich die Anzahl sogar verneunfacht. Die durch Terrorismus verursachten wirtschaftlichen Kosten belaufen sich auf 49,3 Milliarden Euro, was ebenfalls einem neuen Höchstwert entspricht. Beachtlich ist auch die Konzentration der terroristischen Anschläge: Diese fanden zu 57 Prozent in allein fünf Ländern statt: Afghanistan, Irak, Nigeria, Pakistan und Syrien. Diese mussten 78% aller terroristischen Todesfälle erleiden. Insgesamt gibt es weltweit elf Länder, die mehr als 500 Terror-Tote zu verzeichnen hatten. 2014 neu hinzugekommen sind Somalia, die Ukraine, der Jemen, die Zentralafrikanische Republik, der Südsudan und Kamerun. Den stärksten Rückgang von Terroropfern seit 2000 hat die U.S.A. zu verbuchen. 2014 belegte diese im Ranking den 35. Platz, was die Anzahl der Terror-Toten betrifft. 2000 war es noch Platz 1.
Insgesamt ist der Terrorismus aufgrund der steigenden globalen Mobilität deutlich internationaler geworden. So gab es Terroranschläge in 67 Ländern. Falsch ist allerdings, dass vor allem die westliche Welt häufiges Opfer von Anschlägen ist. Lediglich 2,6 % aller terrorbedingten Todesfälle seit 2000 ereigneten sich in der westlichen Welt. Ohne den 11. September sind es lediglich 0.5 %.
Insgesamt bleiben über 60% der Länder von einem Terroranschlag verschont. Weltweit gesehen ist das Risiko, einem herkömmlichen Tötungsdelikt zum Opfer zu fallen, dreizehnmal höher, als das Risiko, Opfer eines Terroranschlags zu werden.
Wer begeht Terroranschläge
Die öffentliche Debatte über Terrorismus ist deutlich auf die Anschläge islamistischer Organisationen fokussiert. Dies gibt allerdings ein teilweise verzerrtes Bild der Realität wieder. Gerade im Westen sind mit 70 Prozent vor allem Einzeltäter, sogenannte Lone-Wolf Terroristen, für Terrorakte verantwortlich. 80 Prozent dieser Täter haben keine Verbindung zum Islamismus, sondern haben einen rechtsradikalen, nationalistischen, regierungsfeindlichen oder andersartig politisch-extremistischen Hintergrund. Somit ist politischer Extremismus und nicht islamischer Fundamentalismus die Hautmotivation hinter terroristischen Anschlägen in westlichen Ländern.
Verschiebt man den Blickwinkel auf die Opfer von Terrorismus, dann sind tatsächlich islamistische Organisationen für die meisten Toten weltweit verantwortlich. Allein die nigerianische Terrormiliz Boko Haram und der sogenannte Islamische Staat töteten im Jahr 2014 51 Prozent aller terroristischen Todesopfer. Beide Gruppen attackierten vor allem Zivilisten (Boko Haram 77%, IS 44%).
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Die Wurzeln von Terrorismus
Warum aber gibt es zurzeit derart viele terroristische Anschläge? Dazu konnten die Statistiker zumindest einige übergreifende Faktoren herausarbeiten. Bei ärmeren Ländern korrelieren vor allem laufende Konflikte, Gewalt der Regierung, Korruption und eine schwache Wirtschaft mit der Anzahl von Terroranschlägen. Insbesondere Konflikte in den Ländern erscheinen als Hauptauslöser für den derartigen Anwuchs des Terrorismus. Dies zeigt unter anderem auch der Fakt,
dass zehn der elf am stärksten von Terrorismus betroffenen Länder die höchste Anzahl von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen verzeichnen. Insgesamt fanden 88% aller terroristischen Attacken seit 1989 in Ländern statt, die gerade einen Konflikt durchlebten. 92% aller Attacken innerhalb dieses Zeitraums ereigneten sich in Ländern, in denen Gewalt von der Regierung ausgeübt wurde.
In den wohlhabenderen OECD Ländern ist vor allem eine Korrelation zwischen Terrorismusintensität und sozioökonomischen Faktoren wie Jugendarbeitslosigkeit und Drogenkriminalität zu beobachten. Diese Faktoren werden vor allem herangezogen, um die Radikalisierung von Einzelnen zu erklären.
Was kann getan werden?
Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) und weitere Organisationen sprechen sich insbesondere dafür aus, die
Ursachen der Radikalisierung von Menschen zu beseitigen. Vor allem jungen Menschen müsse eine Lebensperspektive gegeben werden. Der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit stehe deshalb im Vordergrund. Viele Länder müssten nach der BpB vor allem die soziale Absicherung der Jugendlichen verbessern. Viel zu oft werde diese stattdessen von terroristischen Vereinigungen „übernommen“, die verarmten jungen Menschen Versorgung und eine Aufgabe böten.
Auch bezüglich des Vorgehens gegen islamistische Organisationen wie den Islamischen Staat sieht die BPB präventive Maßnahmen als die richtigen an. Der bisherige Versuch, die Islamisten durch ein militärisches Eingreifen zu besiegen, müsse zwangsläufig scheitern. Ein solches ziehe viel zu viele zivile Opfer nach sich. Betroffene oder Hinterbliebene sähen den Westen im Folgenden als Feindbild an, weswegen sie sich häufig ebenfalls radikalen Organisationen anschlössen. So wurde im Bericht des Instituts for Economics and Peace von 2013 die US-Außenpolitik nach dem 11. September 2001 als
einer der entscheidenden Faktoren für die Zunahme terroristischer Anschläge ausgemacht. Unter der Führung der U.S.A. hat es seit den Terroranschlägen des 11. Septembers mehrere militärische Interventionen in Nahost gegeben.
Als präventiven Ansatz bezeichnet der BPB zum Beispiel eine bessere Integration von Muslimen und eine bessere Zusammenarbeit mit Interessensvertretungen von Muslimen. Außerdem sollten reformorientierte Kräfte in Ländern muslimischer Prägung politisch und finanziell gestärkt werden.