VON CLEMENS POKORNY
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15.04.2015 17:10
Globalisierung studieren!
Die allgegenwärtige Globalisierung wird von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen erforscht und in deren Studiengängen vermittelt – nicht nur an Universitäten, sondern auch an (Fach-)Hochschulen. Interdisziplinäres Arbeiten hat bei einem derart weit gefassten Thema natürlich eine erhebliche Bedeutung. UNI.DE stellt vier Studiengänge an vier deutschen Universitäten vor, jeweils mit dem Schwerpunkt Geographie, Soziologie, Politikwissenschaft sowie Soziale Arbeit.
Finanzströme fließen um die Welt, Lebewesen erobern neue Kontinente, Wetterkapriolen treten in allen Ländern auf. Die französische Wirtschaftswissenschaftlerin arbeitet in New York, der italienische Taxifahrer räkelt sich am Strand in Thailand und der arabische Scheich kauft leerstehende Villen in London: Globalisierung hat viele Gesichter. Je mehr Facetten sie umfasst, desto interessanter wird sie für die Wissenschaft. An vielen deutschen Hochschulen werden daher Studiengänge mit Bezug zu Einzelaspekten der Globalisierung angeboten, die auch für das Arbeiten jenseits unserer Landesgrenzen qualifizieren sollen. UNI.DE liefert einen Überblick.
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Am besten integrieren wohl geographische Studien das Thema Globalisierung. Die
Universität Mainz bietet einen
M.A.-Studiengang „Humangeographie: Globalisierung, Medien und Kultur“ an, der auf ein B.A.-Studium der Geographie oder verwandter Studiengänge aufbaut. Im Zentrum des Lern- und Forschungsinteresses steht dabei der Zusammenhang zwischen Raum und Kultur im Zeitalter der Globalisierung und seine Vermittlung durch Medien aller Art. Natürlich stehen Kulturen und Gesellschaften in geographischer Hinsicht auch in Wechselwirkung mit Medien. Man denke nur an die
Verzerrung unseres Welt-Bildes, das durch die gängige
Mercator-Projektion entsteht, die die Flächen- zugunsten der Winkeltreue aufgibt: So erscheint Grönland (rund 2,2 Mio. km2) auf den meisten heute verwendeten Weltkarten fast so groß wie Afrika (etwa 30,2 Mio. km2). Arno Peters hat demgegenüber
schon 1974 vorgeschlagen, auf Winkeltreue zu verzichten, und stattdessen eine Karte entwickelt, bei der die Kontinente flächengetreu wiedergegeben werden. Peters war übrigens Historiker – ein Indiz für die Notwendigkeit interdisziplinärer Erforschung von weltumspannenden Themen. Dieser trägt der Mainzer Studiengang Rechnung, indem er Geographie und Kulturwissenschaften integriert, Fremdsprachenkompetenz fördert und die Studierenden auch in relevanten praktischen Tätigkeiten schult.
An der Universität Bonn wird die Globalisierung dagegen sozialwissenschaftlich untersucht. Der dort akkreditierte
M.A.-Studiengang „Gesellschaften, Globalisierung und Entwicklung“ setzt einen Bachelor in Soziologie, Politikwissenschaft oder ähnlichen Fächern voraus und verbindet die Vermittlung grundlegender soziologischer Theorie und praktischer Methoden mit rechts-, wirtschafts- und politikwissenschaftlichen Inhalten sowie soziologischer Vertiefung, z.B. in den interdisziplinären „Bindestrichsoziologien“, die sich mit den genannten fächerübergreifenden Themen befassen.
Insbesondere die Politik der Europäischen Union bietet Politikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern ein Forschungs- und Arbeitsfeld, an das die
Philipps-Universität Marburg ihre Studierenden mit dem
M.A.-Studiengang „Europa: Integration und Globalisierung“ heranführt. Globalisierung als eine Entwicklung, die Europa näher zusammenwachsen lässt, wird dort von Absolventinnen und Absolventen verschiedener Bachelor-Studiengänge (neben Politik z.B. auch VWL oder Jura) analysiert. Interdisziplinarität wird auch in Marburg groß geschrieben, nämlich im Rahmen eines Forschungskolloquiums.
Dem wachsenden Bedarf an interkultureller Kompetenz bei sozialpädagogischen Tätigkeiten soll schließlich ein Studium der
Hochschule Darmstadt gerecht zu werden, der Soziale Arbeit mit den Themen
Migration und Globalisierung verbindet. Ein
Auslandssemester – am besten in der Türkei – ist dafür ebenso Pflicht wie ein sozialpädagogisches Praktikum mit Bezug zum Thema Migration. In theoretischer Hinsicht werden die Themen Migration und Globalisierung in Seminaren zur interkulturellen Kompetenz und durch den Besuch englischsprachiger Veranstaltungen integriert.
Globalisierung als wissenschaftliches Thema wird also in Deutschland bereits in der universitären Lehre vielfältig reflektiert und analysiert. Dass dies vorrangig in Masterstudiengängen geschieht, ist selbstredend dem vertiefenden Charakter dieses Studienabschnitts gegenüber den grundlegenden Bachelorstudiengängen geschuldet. Der Darmstädter FH-Studiengang soll wohl vor allem Menschen mit Migrationshintergrund ansprechen, die ihre bereits vorhandene interkulturelle Kompetenz in ihre spätere Tätigkeit als Sozialarbeiter einbringen können.