VON ANGELA SCHWEIZER | 23.04.2015 11:33

Globale Krisen im Zeitalter der Globalisierung

Die Welt hat sich verändert: nach dem Ende des jahrzehntelangen Machtkampfes der beiden Großmächte UdSSR und den USA, der die Welt in zwei Blöcke spaltete, brechen immer neue ethnische und sozio-ökonomische Konflikte auf, die vorher unterdrückt wurden. Auch Deutschland wurde nach dem Mauerfall von einer nationalen Krise mit globalem Ausmaß erschüttert, die jedoch als solche nicht erkannt und aufgearbeitet wurde. Postkoloniale Konflikte, Verteilungskämpfe und Gewaltmärkte erschüttern weiterhin die Welt. Das von der UNO entwickelte Konzepte der Human Security soll den menschenrechtlichen Aspekt vor den Sicherheitsaspekt stellen, und einem Ausbrechen von Gewalt präventiv entgegenwirken.

Dem Fall der deutschen Mauer im Jahre 1989 folgte zwar eine politische Einigung der deutschen Gesellschaft, die jedoch mit einer umso gewaltvolleren Abgrenzung nach außen einher ging, das heißt gegen die Menschen, die nicht als „deutsch“ und somit als zugehörig definiert wurden. Die Gewalt gegen vermeintlich „Fremde“ erreichte eine neue Dimension und entlud sich in furchtbaren Brandanschlägen gegen Asylbewerberunterkünfte. Zu Beginn der 90er Jahre verübten Rechtsextreme unter den Augen von 3000 applaudierenden Anwohnerinnen und Anwohnern einen Brandanschlag in der zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Rostock-Lichtenhagen. Kaum ein Jahr später fielen einem von Rechtsextremen verübten Brandanschlag auf ein Einfamilienhaus in Solingen fünf Menschen türkischer Herkunft zum Opfer. Die damalige Politik gab den Opfern die Schuld, da ihr zufolge die deutsche Bevölkerung für diese „Asylflut“ nicht vorbereit sei. Der Bundestag entschied im Jahre 1992 mit den Stimmen von CDU, CSU, SPD und FDP das Asylrecht massiv einzuschränken, woraufhin die Zahl der erfolgreich Asylsuchenden in Deutschland rapide sank. Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem wurde nicht bearbeitet.

Globale Krisen, lokale Auswirkungen

Die weltweite sicherheitspolitische Lage änderte sich drastisch nach den terroristischen Angriffen des 11. Septembers 2001. Eine erneute Ausbreitung von Rassismus und Ausgrenzungspolitik in westlichen Gesellschaften war die Folge, sowie das Akzeptieren von Militärinterventionen und einer Einschränkung von Menschen- und Bürgerrechten bis zum heutigen Tage. Weitere Bedrohungen des globalen Friedens sind die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise, der Klimawandel und der weltweite Kampf um Rohstoffe. Dabei verlaufen die Trennlinien nur vordergründig zwischen Kulturen und Religionen, und eigentlich zwischen Nord und Süd oder Arm und Reich. Der „Sicherheitsaspekt“ überwiegt, so wird in europäischen Staaten viel Geld für Grenzsicherheit ausgegeben, jedoch wenig zur Hilfe von Flüchtlingen oder der Reduzierung von Fluchtursachen in den Herkunftsländern

Gewaltmärkte und neue Gewaltakteure

Viele der gegenwärtigen Konflikte in afrikanischen Ländern sind auf die Kolonialzeit zurückzuführen. Bei dem großen Ausmaß von Verarmung und Verelendung, beispielsweise in Südafrika, kann von einem Ende der strukturellen Gewalt gegenüber einem Großteil der schwarzen Bevölkerung nicht die Rede sein.

Die Konflikte in Ruanda, Somalia oder der Demokratischen Republik Kongo mit Millionen Toten machen das Scheitern von Staatlichkeit zu einem zentralen Thema. Der Ethnologe Georg Elwerts prägte in den 90er Jahren den Begriff der Gewaltmärkte. Elwerts versteht darunter einen „als Bürgerkrieg, Kriegsherrensysteme oder Räubertum bezeichneten Konflikt, bei denen das ökonomische Motiv des materiellen Profits dominiert.“ Diese Konflikte sind zwar scheinbar ethnischer Natur, die Ursache liegt aber nicht in „Stammeskonflikten“, sondern in einem dysfunktionalen Kriegswirtschaftssystem. Westliche Akteure sind oft darin verwickelt, da sie hohe Schutzgelder bezahlen um in die Krisengebiete durchgelassen zu werden. Aufgrund der Profitabilität dieser Gewaltmärkte besteht kein Interesse an Friedensabkommen, wie beispielsweise im rohstoffreichen Kongo.

Field of Hope: Hilfe für Vergewaltigungsopfer im Kongo

Neue Konflikte erfordern neue Lösungen: Human Security

Das Konzept der Human Security wurde im Kontext der UNO Mitte der 1990er Jahre entwickelt. Im Mittelpunkt soll nun der Schutz des Individuums und seiner Menschenwürde stehen, und nicht wie bisher der Schutz des Staates. Nach Ende des Kalten Krieges stellte sich heraus, dass die größte Gefahr für den einzelnen Menschen nicht von zwischenstaatlichen Konflikten ausgeht, sondern von staatlicher Willkür, Armut, Hunger, Kriminalität, Klimawandel und der Gefährdung der Umwelt. Ziel soll sein, über militärische Intervention hinauszugehen und multidimensionale Friedenseinsätze zu berücksichtigen. Durch Präventivmaßnahmen soll bereits die Entstehung eines Konflikts verhindert werden um nicht reaktiv einzugreifen. Hier eigenen sich besonders feministische Perspektiven, die die Zivilgesellschaft ermächtigen und den verletzlichsten Bevölkerungsgruppen, wie Frauen, Kindern, Flüchtlingen und Angehörigen von Minderheiten besonderen Schutz zukommen lässt. Da in vielen Gesellschaften Frauen beispielsweise für das Wasser holen über weite Strecken zuständig sind, sind sie besonders gefährdet durch Landminen.

Feministische Perspektiven helfen, geschlechterdichotome Stereotype aufzubrechen, die nicht nur in Kriegszeiten zu sexualisierter Gewalt gegen Frauen und andere als schwächer wahrgenommene Menschengruppen zielen. Eine zugespitzte stereotype Geschlechterrollenverteilung findet jedoch meist im Krieg statt. Männern wird besondere Gewaltbereitschaft zugeschrieben und Frauen werden in die Opferrolle gedrängt. Nationalismus und Militarismus verfestigen diese Stereotype und senken die Schwelle zur Ausübung von Gewalt weiter. Diese aggressiven Männlichkeitsvorstellungen bezeichnet der australische Männerforscher Raewyn Connell als „Hegemoniale Männlichkeit“. Trotzdem sind Männer nicht nur Täter, sondern auch in erster Linie Opfer, denn Männer töten im Krieg zuallererst andere Männer. Frauen können genauso an einer gewaltsamen Konfliktkultur beteiligt sein, sind jedoch häufig auch als Vermittlerinnen im Krieg aktiv oder bei der Bildung von Friedensallianzen. Dies ist keine biologische Neigung, sondern Folge ihrer Sozialisation als Frau und den gesellschaftlichen Erwartungen, die in feministischen Friedensansätzen gestärkt und genutzt werden kann.