VON MAXIMILIAN REICHLIN | 05.07.2016 16:20

Global Attitude Survey 2016: Europa soll sich wieder mehr einmischen – Trotz starker ideologischer Unterschiede

Anfang Juni veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut Pew einen Global Attitude Survey für das Jahr 2016. Dabei wurden europäische Bürgerinnen und Bürger nach Ländern geordnet zu verschiedenen welt-, innen- und außenpolitischen Themen befragt. Das Ergebnis: Eine klare Meinung will sich bei beinahe keiner Frage einstellen, Europa scheint zwischen zwei widerstreitenden Ideologien hin- und hergerissen. Einigkeit besteht nur bei der Frage, ob Europa einen größeren Part auf der weltpolitischen Bühne spielen sollte: Mehr als zwei Drittel sagten ja. Die Verantwortung für die Probleme anderer Staaten wollen aber auch diese Länder nicht übernehmen.


Europa ist sich einig: Die EU soll sich in der globalen Politik wieder mehr einmischen. Das ergab die Global Attitude Survey 2016 (dt. etwa „Erhebung zur globalen Einstellung“) des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center. So wünschten sich etwa vor allem die Befragten in Spanien (90%), Frankreich (80%) sowie in Italien, Griechenland, Deutschland und Schweden (jeweils über 70%), dass die Europäische Union weltweit eine größere Rolle spielen sollte. Im Schnitt teilen rund 74 Prozent aller Europäerinnen und Europäer diese Ansicht.

Gleichzeitig wünschen sich aber 42 Prozent der Befragten, die eigene Regierung solle im Vergleich mit Europa wieder über mehr Mitspracherecht und Macht verfügen. Das geht aus einem Durchschnitt aus den Ergebnissen von zehn in der Studie berücksichtigten Ländern hervor. Einzig die Einwohnerinnen und Einwohner von Deutschland und Polen sehen ihr eigenes Land in einer einflussreichen Position: Die Befragung in beiden Staaten ergab, dass 62 Prozent der Deutschen und 45 Prozent der Polen der Ansicht sind, ihr Land spiele weltpolitisch eine wichtigere Rolle, als noch vor zehn Jahren. Schlusslicht bei der Selbsteinschätzung des eigenen Staates sind vor allem Spanien, Italien und Griechenland: Die Befragten dieser drei Staaten gaben vermehrt an, der Einfluss ihres Landes sei in der vergangenen Dekade gesunken.

Geteiltes Europa: Mehr Einfluss, ja. Mehr Hilfe für die Nachbarn, nein.

Wie nun die geforderte erhöhte Einmischung der EU aussehen soll, ist umstritten. Obwohl Europa als solches laut der Mehrheit der Befragten wieder mehr Einfluss auf das globale Geschehen nehmen soll, äußerten im Schnitt mehr als 50 Prozent den Wunsch, das eigene Land solle sich vermehrt um die eigenen Angelegenheiten kümmern, und weniger um die Probleme anderer Länder. So wünscht sich die Bevölkerung von Griechenland (83%) und Ungarn (77%), dass vorrangig eigene Interessen verfolgt werden sollten, Menschen in Spanien (55%), Deutschland (53%) und Schweden (51%) wollen auch außerhalb der eigenen Staatsgrenzen intervenieren. Paradox: Der Einfluss der EU soll global steigen, einzelne Staaten übernehmen allerdings lieber die Verantwortung für die eigenen Probleme.

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Pew-Erhebung ist von ideologischen Unterschieden geprägt

Damit offenbart die Pew-Studie eine auffällig klare Kampflinie zwischen rechts- und linkspolitischen Ideologien in Europa. In beinahe jeder Frage sammelten sich auf der einen Seite Mitglieder der einen Schlagrichtung, während sich die Gegenseite konträr positionierte. So war der Anteil an rechtspolitisch eingestellten Personen, die lieber eigene Probleme in Angriff nehmen wollte, in beinahe jedem Land der Studie deutlich höher, Linkspolitische sprachen sich öfter für die Hilfe außerhalb des Staatsgebietes aus.

Kein neuer Trend: Rechte Ideologien sind in Europa bereits seit einigen Jahren wieder auf dem Vormarsch, in einigen der befragten Ländern bilden rechte Parteien die Regierung. Die Pew Studie zeigt, dass vor allem die Flüchtlingskrise einen großen Teil dazu beigetragen hat: Mittlerweile betrachten rund zwei Drittel der Befragten in Polen, Ungarn, Griechenland und Italien die Flüchtlingskrise als massive Bedrohung, in den Niederlanden, Deutschland und Schweden immerhin noch jeweils ein Drittel. Die größte Bedrohung stellt allerdings für einen Großteil der Staaten die Terrororganisation Daesh (auch: Islamischer Staat, IS) dar. In Spanien und Frankreich gaben sogar über 90 Prozent an, dass sie die Islamistische Gruppierung als größte Bedrohung empfinden.

Maßnahmen gegen den Terror – Europa zwischen Gewalt und Pazifismus

Uneinigkeit herrscht in Europa auch bei der Frage, wie der globale Terrorismus wirksam bekämpft werden kann. In den Niederlanden vertreten 66 Prozent die Meinung, dass mehr Militäreinsätze erst recht zur Ausbreitung von Hass, Gewalt und Terror führen, in Deutschland und Griechenland sind es jeweils 64 Prozent. In Ungarn, Italien und Polen dagegen sehen über die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner Kampfeinsätze als das beste Mittel, um den Terror einzudämmen. In Polen sprachen sich die Befragten außerdem vermehrt dafür aus, ihren Militärhaushalt zu erhöhen – 52 Prozent waren dafür. Der Rest von Europa entschied sich dagegen größtenteils dafür, die Ausgaben für das Militär konstant zu halten.

Auch hier ist der Unterschied zwischen rechts- und linkspolitisch Eingestellten erkennbar: So vertrat das rechte Lager vermehrt die Auffassung, der globale Terror könne mit Waffengewalt eingedämmt werden und sprach sich für eine höhere finanzielle Unterstützung des Militärs aus. Die Linken hingegen positionierten sich im Vergleich deutlich pazifistischer. Außerdem überwiegt hier die Auffassung, die Durchsetzung von Menschenrechten sei eine der wichtigsten Aufgaben des Staates.