VON CLEMENS POKORNY | 22.04.2016 14:57

Gutes Gewissen gekauft?

Ende des Jahres 2014 wurde auf Betreiben des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller, das „Bündnis für nachhaltige Textilien“ gegründet: eine kodifizierte Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen mit dem Ziel, ökologische, ökonomische und Sozialstandards anzuheben. Eineinhalb Jahre später lässt sich eine leider nur mäßig gute Bilanz ziehen.

Bio hier, Fairtrade dort: Wir wissen, dass unser Lebensstil Natur und Klima noch viel schneller zerstören würde als bisher schon, wenn alle Menschen auf dem Globus ihn hätten. Wie gut, dass wir uns ein gutes Gewissen erkaufen können, nicht nur mit Spenden, sondern auch mit unseren alltäglichen Kaufentscheidungen. Ökologisch und sozial vorbildliche Produkte sind vor allem in den Städten schwer gefragt – nicht immer aus Überzeugung: Mit ihnen lassen sich Status und ein Gefühl moralischer Überlegenheit generieren. Auch viele nicht so grüne oder faire Unternehmen wollen auf dieser Erfolgswelle mitreiten. Da war es nur folgerichtig, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Federführung von Minister Gerd Müller im Oktober 2014 ein „Bündnis für nachhaltige Textilien“ initiierte, dem sich mittlerweile weite Teile der deutschen Textilindustrie angeschlossen haben. Das Ziel: Verbesserung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Standards entlang der gesamten, internationalen und weit verzweigten Lieferkette. Hat sich eineinhalb Jahre später schon etwas zum Guten gewandelt?

Als im April 2013 der Fabrikkomplex Rana Plaza in Sabhar (Bangladesch) einstürzte und über 1.100 Menschen starben, gelangten die miserablen Arbeitsbedingungen in der Textilbranche in den Fokus der Öffentlichkeit. Viele westliche Firmen hatten in Rana Plaza zu ausbeuterischen Bedingungen nähen lassen – Bangladesch lebt von der Textilindustrie, sie sorgt für 80% seiner Exporte. Minister Müller nahm das Unglück zum Anlass, das Bündnis für nachhaltige Textilien zu schmieden. Doch erst im Oktober 2014 wurde es tatsächlich gegründet, in deutlich geringerem Umfang als geplant: Fast alle Großen der Branche hatten abgesagt. Zu ehrgeizig seien die Ziele gesteckt, deutsche Standards ließen sich nicht auf Entwicklungsländer übertragen. Bis April 2015 wurden die Bedingungen des Bündnisses überarbeitet und ein weniger ambitionierter Aktionsplan vorgestellt. Seitdem haben sich immer mehr Unternehmen dem Bündnis angeschlossen, auch Schwergewichte wie Kik, H&M, Aldi und Lidl, sodass ihm heute mehr als 170 Firmen angehören. Das ist mehr als die Hälfte aller deutschen Textilunternehmen. Sechs große Firmen aus Bangladesch gehören zu den Partnerunternehmen des Bündnisses.

Die Maßnahmen dieser Zusammenarbeit sind vielfältig und beziehen Unternehmen nicht immer direkt ein, etwa bei der Aushandlung politischer Abkommen. So hat Deutschland mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen. Damit werden Programme der ILO gefördert, die u.a. die Gewerkschaften in Ostasien stärken und existenzsichernde Löhne durchsetzen sollen. Seit 2010 (also schon vor Gründung des Bündnisses) wurden in Bangladesch mit deutscher Unterstützung mehr als 100.000 Arbeiterinnen und Arbeiter über ihre Rechte informiert – keine Selbstverständlichkeit in dem Land – und bei der Gründung eigener Kleinunternehmen unterstützt. Auch mit Nichtregierungsorganisationen arbeitet das Bündnis zusammen. Wirtschaftskooperationen werden fachlich und finanziell vom BMZ unterstützt, doch die Unternehmen tragen mindestens 50% der jeweiligen Kosten. Mittelfristig soll die Idee des Bündnisses international ausgeweitet werden. Das würde eine flächendeckende Anhebung der Sozial- und Umweltstandards forcieren (und Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen auf dem internationalen Markt entgegenwirken).

Es geht auch anders

Und die wäre dringend nötig, denn noch hat das Bündnis für nachhaltige Textilien nicht viel Wesentliches verändert. Der Mindestlohn von 140 Dollar, der in Bangladesch sowieso gilt, reicht eben kaum aus, damit die 33% der Frauen zwischen 19 und 24 Jahren in Bangladesch, die in der Textilindustrie arbeiten, sich und ihre Familien durchbringen können. 10-Stunden-Tage plus Überstunden in einer Sechs-Tage-Woche lassen keine Zeit für Weiterbildung und mit den meist befristeten Arbeitsverträgen haben Mütter weiterhin keine Chance auf bezahlte Elternzeit, sodass viele von ihnen unter Lebensgefahr illegal abtreiben. Gesundheits- und umweltschädliche Chemikalien dürfen auch nach den Mindeststandards, die das Bündnis festschreibt, verwendet werden, nur müssen die Arbeiterinnen im Umgang mit ihnen geschult werden.

Das Bündnis für nachhaltige Textilien krankte, so eine Kritikerin von Greenpeace, schon zu Beginn am Diktat der deutschen Textilbranche, die nur zum Preis niedrigerer Standards teilnehmen wollte. Fazit: Sein Ansatz ist löblich, aber nicht ausreichend. Wer daher mit gutem Gewissen Mode kaufen möchte, halte sich an ökologisch produzierte Ware von fair handelnden oder produzierenden Firmen wie HansNatur, HessNatur oder ähnlichen, die ausschließlich Bio-Stoffe verarbeiten und auch hohe Sozialstandards setzen, oder den Bio-Baumwollprodukten aus dem Sortiment von Trigema, das laut Eigendarstellung nur in Deutschland und zu fairen Löhnen herstellt. Das BMZ hat auch ein Webportal eingerichtet, auf dem man sich über die verschiedenen Gütesiegel informieren kann, die nach überdurchschnittlichen hohen Sozial- und Umweltstandards gefertigte Textilien auszeichnen, und das man hier aufrufen kann.