VON ANGELA SCHWEIZER | 03.04.2015 17:41

Globalisierung: Welches Land profitiert am meisten?

Maschinen Made in Germany werden seit langem über die Grenzen des Kontinents verkauft, und inzwischen sind mehr Menschen in Asien als in Nordamerika auf Facebook registriert. All dies sind Folgen der Globalisierung. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung profitieren jedoch vor allem Nationen wie Deutschland von der Vernetzung der Welt. Wie sieht es in anderen Ländern aus und warum herrscht trotz des Versprechens „Wohlstand für alle“ ein solches Ungleichgewicht?

Mit Globalisierung ist nicht nur die Veränderung und zunehmende Vernetzung der Weltwirtschaft gemeint, sondern auch die kulturellen, politischen und kommunikativen Verflechtungen. Vor allem die Länder des globalen Südens streben nach gleichem Wohlstand und Ressourcenzugang wie die Industrienationen. Doch die meisten Länder der Erde starteten mit sehr ungleichen Voraussetzungen in den globalen Wettkampf: Mit der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus begann das Zeitalter der Kolonialisierung und des Imperialismus. Die europäischen Kolonialmächte sahen sich dabei in einer Art göttlichem Missionsauftrag. Die eigentlichen Beweggründe für ihren „Zivilisationsauftrag“ waren jedoch Gier und die damit einhergehende Ausbeutung und Versklavung der indigenen Bevölkerung.

Die "ersten" Amerikaner – Indianer in den USA

Mit dem Fall der letzten Kolonie endet offiziell eine über mehrere Jahrhunderte andauernde Phase des Imperialismus. Die postkolonialen jungen Nationalstaaten fanden sich wieder mit willkürlich festgelegten Ländergrenzen und einem äußerst fragilen infrastrukturellen System, das abhängig war von den europäischen Kolonialmächten. Diese Infrastrukturen prägen bis heute die Welt: Die Länder des globalen Südens exportieren meist Rohstoffe, und sind damit auf dem Weltmarkt gegenüber den Industrienationen nicht wettbewerbsfähig. Oftmals subventionieren die Industriestaaten zusätzlich ihre heimische Landwirtschaft. Länder des globalen Südens bekommen Geld am internationalen Kapitalmarkt nur zu immens hohen Zinsen, da sie als „riskant“ eingestuft werden. Die armen Länder bezahlen also viel mehr, als sie beispielsweise an Entwicklungshilfe bekommen.

Nicht nur Attac, das Bündnis globalisierungskritischer Menschen, meint inzwischen, dass sich das neoliberale Versprechen „Wohlstand für Alle“ nicht erfüllt. Einseitige Wirtschaftsinteressen, postkoloniale Machtstrukturen und unfaire Handelsbündnisse führen laut Attac dazu, dass sich nicht nur die Schere zwischen Arm und Reich innerhalb der Länder, sondern auch zwischen der Nord- und Südhalbkugel weiter vergrößert.

Reiche Länder werden reicher

Die Bertelsmann-Stiftung scheint dies in ihrer gerade erschienen Studie zu bestätigen: „Die Globalisierung hat während der vergangenen zwei Jahrzehnte vor allem den Wohlstand in den Industrienationen vermehrt. Schwellen- und Entwicklungsländer hingegen profitierten vergleichsweise wenig“, so das zentrale Ergebnis der Studie, die 42 Volkswirtschaften untersuchte. Nach Finnland, Dänemark und Japan profitiert vor allem Deutschland am stärksten von der Globalisierung der Welt. Während dem Erhebungszeitraum der Studie, nämlich zwischen 1990 und 2011, wuchs das deutsche Bruttoinlandsprodukt jedes Jahr um etwa 100 Milliarden Euro, war also für insgesamt 20% des Wachstums der deutschen Wirtschaft verantwortlich. Damit profitiert Deutschland auch stärker als die meisten anderen europäischen Staaten. Weitere Ergebnisse der Studie: Trotz anhaltender Krise in den Euro-Ländern finden sich für Deutschland dort immer noch die profitabelsten Bedingungen für Außenhandelsaktivitäten. Grundsätzlich seien die Effekte der Globalisierung für alle untersuchten Länder positiv, so die Bertelsmann-Stiftung. Die Wohlstandsunterschiede innerhalb der Länder vergrößern sich jedoch weiter im Nord-Süd-Gefälle. Einzig eine „aktive Entwicklungszusammenarbeit“, könne helfen, so Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung. Dies würde vor allem bedeuten, dass Industrienationen ihre Subventionen für Agrarprodukte reduzieren, ihre Märkte für Produkte aus Ländern des globalen Südens öffnen und dort in Bildung und den Ausbau von Infrastruktur und produzierendem Gewerbe investieren.