VON CLEMENS POKORNY
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16.09.2013 14:28
Der nachhaltige Warenkorb
Nachhaltig zu konsumieren ist ein Gebot der Verantwortung gegenüber der eigenen und kommenden Generationen. Und jeder kann es sich leisten, ökologisch und sozial verträgliche Produkte zu kaufen. Doch bewusster Konsum erfordert umfassende Kenntnisse über Waren und Hersteller, gerade auch weil viele Firmen immer wieder Verbrauchertäuschung begehen. Der Nachhaltigkeitsrat, der die Bundesregierung berät, hat mit dem „nachhaltigen Warenkorb“ eine Broschüre zusammengestellt, die beim verantwortungsbewussten Konsum hilft und seit Juli 2013 online ist.
Stell dir vor, es ist Bundestagswahl – und keiner geht hin. Nicht nur bei Wahlen kommt es auf jeden Einzelnen an, auch wenn der für sich genommen nicht viel bewirkt. Das gleiche gilt für den privaten Konsum: Mit jeder unserer Kaufentscheidungen beeinflussen wir das Angebot am Markt. Wenn alle darauf warten, bis ein anderer nachhaltig einkauft, wird sich unser Konsumverhalten nie ändern.
Die Postwachstumsökonomie von Niko Peach
basiert auf Konsumverzicht und Produktionsrückgang. Peach sieht aber nicht nur die Wirtschaft in der Pflicht, sondern vor allem private Haushalte
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Nur: Wie konsumiere ich „
nachhaltig“? Ein erster Schritt wäre, die weit verbreitete Geiz-ist-geil-Mentalität über Bord zu werfen. In Europa geben nur die Tschechen weniger Geld für Lebensmittel aus als wir – diese Erkenntnis wird bestätigt finden, wer einmal die Preise z.B. in italienischen oder französischen Supermärkten mit denjenigen in der Bundesrepublik vergleicht. Mehr Geld für Produkte des täglichen Bedarfs auszugeben ist also eine Frage der Einstellung, und nachhaltig produzierte Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände sind kein Luxus. Der Autor dieses Artikels etwa verfügte ein knappes Jahr lang über nur 100 Euro monatlich (jenseits der Warmmiete) – und lebte mitten in einer deutschen Großstadt ausschließlich von Bio-Produkten.
Nachhaltig zu konsumieren, also so, dass man sich der ökologischen und sozialen Konsequenzen seines Konsums bewusst ist und sie gutheißen kann, erfordert allerdings oft mehr als gesunden Menschenverstand. Werbung und Produktverpackungen versuchen, mithilfe von Gesetzeslücken negative Aspekte von Waren zu kaschieren.
Wer weiß z.B. schon, dass in Kartoffelchips häufig tierische Bestandteile enthalten sind, aber nicht gekennzeichnet werden müssen? Hier ist umfangreiches Wissen über viele Arten von Produkten und die dahinterstehenden Branchen nötig.
Beim Erwerb dieser Kenntnisse helfen mittlerweile unzählige Ratgeber in Papier- und virtueller Form. Einer davon stammt vom „
Rat für nachhaltige Entwicklung“, den die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2001 ins Leben gerufen hat. Dieses
Gremium aus 15 Vertretern v.a. von Umweltverbänden, Wissenschaft und Wirtschaft berät die Bundesregierung in Fragen der Nachhaltigkeit und entwickelt Projekte und Visionen, die in alle beteiligten Gruppen hineinwirken sollen. Ein konkretes Ergebnis der Arbeit des Rates ist der virtuelle „
nachhaltige Warenkorb“.
Diese
93-seitige Broschüre steht seit Juli 2013 auch als
lesefreundliche Website im Internet. Sie erklärt den Begriff „nachhaltiger Konsum“ und klärt die Grundlagen für verantwortlichen Konsum im Sinne des „nachhaltigen Warenkorbs“. Wer wüsste z.B., dass für die Herstellung einer Jeans 11.000 Liter Wasser verbraucht werden? Und wie sieht die Ernährungspyramide nach aktuellem wissenschaftlichen Stand aus? Thematisiert wird auch die Rolle des Konsumverzichts oder von Modellen wie „Teilen statt Besitzen“, das noch um „
Tauschen statt kaufen“ ergänzt werden könnte. Darauf aufbauend erläutert der „nachhaltige Warenkorb“ für jede behandelte Produktgruppe verschiedene Gütesiegel (und räumt nebenbei mit dem noch immer verbreiteten Irrglauben auf, „bio“ und „öko“ seien keine gesetzlich geschützten Bezeichnungen). Außer zu Lebensmitteln liefert der Ratgeber nämlich auch zu Textilien, zum Thema Waschen und Reinigen, Kosmetik, Spielzeug, Haushaltsgeräte und Elektronik, Mobilität, Energieversorgung, Geldanlage sowie Wohnen/Renovieren/Einrichten jeweils Faustregeln und/oder die jeweils speziellen, unabhängigen Gütesiegel im Überblick sowie spezifische weitere Informationen.
Fazit: Der „nachhaltige Warenkorb“ präsentiert eine – nach Kenntnis von UNI.DE – in dieser Fülle in deutscher Sprache einzigartige, sinnvoll geordnete Sammlung an wissenswerten Informationen und nützlichen Tipps für den verantwortungsbewussten Konsum von Einzelpersonen und Privathaushalten. Statt bekehren zu wollen regt die Broschüre zum Nachdenken an und zielt offensichtlich darauf ab, dem
von der Industrie entmündigten Konsumenten auf der Basis von Wissen als Konsumentenmacht seine Entscheidungsfreiheit wiederzugeben.