VON MAXIMILIAN REICHLIN | 04.01.2013 16:43

Niko Peach und seine Postwachstumsökonomie

Niko Peach gilt als Deutschlands radikalster Wachstumskritiker. Wirtschaftswachstum aller Art, selbst in Bereichen der „Nachhaltigkeit“, führen früher oder später nur zum wirtschaftlichen Kollaps, so seine These. Seine „Postwachstumsökonomie“ basiert deswegen auf Konsumverzicht und Produktionsrückgang.

Es wird immer deutlicher, dass die weltweite Wirtschaft nicht mehr richtig funktioniert. Es droht Ressourcenknappheit, fossile Brennstoffe werden rar. Hinzu kommt die steigende Umweltbelastung durch Produktions- und Entsorgungsstätten. Politik und Wirtschaft haben sich längst auf diese Entwicklungen eingestellt: Reformen wie der Glühlampenausstieg wurden durchgesetzt, Stromanbieter werben mit der Erschließung umweltfreundlicher Energiegewinnung und Automobilhersteller betonen die Nachhaltigkeit ihrer Elektrofahrzeuge.

Der Volkswirtschaftler Niko Peach hält genau diese Reaktion für falsch. Nachhaltiges Wachstum existiere nicht, selbst „umweltfreundliche“ Produktion verbrauche Ressourcen. Deswegen basiert die von ihm geprägte "Postwachstumsökonomie" nicht auf Innovation und Produktion sondern auf dem Vermeiden von Selbigen. Die Herstellung von unnötigen Gütern solle zurückgeschraubt, nicht dringend benötigte Infrastruktur gesperrt und Subventionen an Banken und Firmen gestoppt werden.

Die Macht der Werbung

Postwachstumsökonomie als letzte Ausfahrt vor dem Kollaps

Für „unnötig“ hält Peach alle Güter, die nicht zum Überleben benötigt werden und die keine Steigerung des individuellen Wohlbefindens bringen. Ein Kühlschrank etwa, oder Lebensmittel, wären demnach „nötig“, ein Fernseher wäre es nicht. Und selbst an notwendigen Gütern könne noch gespart werden, indem man auf Selbstversorgung umstelle oder Haushaltsgeräte leihe, anstatt sie neu anzuschaffen. Auch Tauschbörsen oder Konzepte wie "Car-Sharing"gehörten zum Bild einer „Postwachstumsgesellschaft“.

Die Gründe für solch radikale Schritte liegen für Peach auf der Hand. Das weltweite Wirtschaftswachstum stößt an seine Grenzen. Wir erleben "Peak-Oil" also das weltweite maximale Fördervolumen von Erdöl. Die Förderzahlen von Erdöl sinken, die Nachfrage nach diesem Rohstoff nimmt allerdings immer weiter zu. Laut Peach könnte dies in Zukunft mit vielen Ressourcen geschehen, was zu einem Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige führen könnte.

Eine geeignete Messlatte für das Wirtschaftswachstum, oder besser, den nötigen Wirtschaftsrückgang, sieht Peach im jährlichen CO2-Ausstoß pro Kopf. Ideal sei es, wenn dieser nicht über einer Marke von 2,7 Tonnen läge. Dies ist ein Wert, der von der Bundesregierung berechnet wurde, und der noch vertretbar ist, um zu verhindern, dass sich das weltweite Klima um mehr als zwei Grad erwärmt, ein Ziel, auf das sich alle Staaten in der Klimapolitik geeinigt haben. Zum Vergleich: Im Moment liegt der Verbrauch in Deutschland bei durchschnittlich etwa elf Tonnen CO2 pro Person und Jahr. Einen persönlichen Wert kann man mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes ermitteln.

Peach sieht also nicht nur die Wirtschaft in der Pflicht, sondern vor allem private Haushalte. Hier müsse sich die Einstellung zum Konsum radikal verändern. Denn wenn die Nachfrage nach „unnötigen“ Gütern und Dienstleistungen sinkt, hätte dies direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft. Einschränkungen und Verzicht wären die Folge, müssten jedoch in Kauf genommen werden.

Niko Peach ist als Gastprofessor an der Universität Oldenburg tätig und lehrt und forscht dort vor allem in Bereichen der Nachhaltigkeitsforschung. Dort bietet er auch eine Ringvorlesung über die Postwachstumsökonomie an. Darüber hinaus ist er Mitbegründer des wissenschaftlichen Zentrums CENTOS für wirtschaftliche Nachhaltigkeit und sitzt zusammen mit Gerhard Oesten der Vereinigung für ökologische Ökonomie vor. 2006 wurde ihm der Kapp-Forschungspreis für Ökologische Ökonomie verliehen.