VON MAXIMILIAN REICHLIN | 12.03.2014 17:00

Wachstumsrücknahme – Weniger Konsum für ein besseres Leben?

Die Welt gerät in den letzten Jahrzehnten immer mehr in ein gefährliches Sturmtief: Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange, fossile Brennstoffe werden rar, das Gleiche wird in absehbarer Zukunft mit den weltweiten Wasserressourcen geschehen. Als Grund für diese radikalen Veränderungen sehen viele Politiker und politische Aktivisten den weltweiten Wunsch nach Wachstum und Konsum. Deswegen fordern sie das absolute Gegenteil: Das Fehlen, die Rücknahme von wirtschaftlichem Wachstum. Dadurch muss nicht zwangsläufig auch die Lebensqualität sinken. Doch wie ist ein besseres Leben durch weniger Konsum möglich?


Wachstumsrücknahme oder „Schrumpfung“ wird in den letzten Jahren immer mehr zu einem politischen Thema. Wachstumsgegner bilden eigene Organisationen und wagen sich auf das politische Feld, in der Europawahl 2009 in Frankreich etwa die Décroissance-Bewegung („décroissance“ = Zurücknahme von Wachstum), die auch eine eigene Zeitung herausbringt, um einen neuen Lebensstil zu etablieren. Dieser Lebensstil sieht vor, den eigenen Konsum radikal einzuschränken und, wo das nicht möglich ist, Alternativen zu erschließen oder gänzlich zu verzichten. Das Ziel solcher Bewegungen ist ein ökologisches und gesellschaftliches: Die Ressourcen des Planeten sollen geschont werden, die Menschen sich nicht mehr durch ihren Konsum definieren.

Wachstum ist nur die halbe Wahrheit

Ein unpopuläres Ziel, da so gut wie jeder Mensch in dem politischen Glauben erzogen wurde, dass ohne Wachstum gar nichts geht. Es ist ein Paradigma, an das die ganze Welt glaubt: Wird mehr produziert, wird mehr verkauft, wird mehr konsumiert, wird besser gelebt. Die Menschen wollen konsumieren – weil sie nicht verstehen, welche Folgen das hat. Das gesteigerte Wachstum fordert langsam aber sicher seinen Tribut: Wir erleben zum Beispiel „Peak Oil“, also das maximale Fördervolumen von Erdöl. Während also die Verfügbarkeit dieses fossilen Brennstoffes ab einem gewissen Punkt nur noch sinken kann, steigt die Nachfrage danach stetig an. Schon werden Kriege um das begehrte Öl ausgetragen, ähnlich wird es bald mit den globalen Wasserressourcen geschehen.

Die vorherrschende Meinung unter Wachstumsgegnern ist daher leicht nachzuvollziehen: In einer Welt mit begrenzten Ressourcen kann es kein unbegrenztes Wachstum geben. Ökologisch muss also etwas geschehen, da sind sich alle Wachstumsgegner einig. Doch Kapital in erneuerbare Energie oder ökologische Innovation zu investieren ist dabei der falsche Weg. So sieht es etwa der deutsche Volkswirtschaftler Niko Peach. Was nützt zum Beispiel ein ökologisch fahrendes Auto, wenn für dessen Produktion trotzdem Ressourcen verschwendet werden. Nicht angepasste Produktion sei notwendig, sondern angepasster Konsum, sinkender Konsum.

Unpopulär sind solche radikalen Lösungen vor allem, weil damit in vielen Fällen die Lebensqualität abnimmt, durch die Streichung „unnötiger“ Güter. Ein Fernseher, ein eigenes Auto, ein Computer in jedem Haushalt? Alles unnötig. Doch diese Idee einer Konsumgesellschaft wie der unseren klar zu machen, gestaltet sich als schwierig. Bei der Europawahl in Frankreich etwa, wurde die Idee der „Schrumpfung“ 2009 nur von einem einzigen Politiker in den Vordergrund gestellt – wofür er größtenteils belächelt wurde. Dass die Lebensqualität durch den Wachstumsrückgang auch steigen kann, etwa durch die Rückbesinnung auf gesunde und lokale Lebensmittel („das Gegenteil von Fast-Food“) oder einfache Freizeitaktivitäten, versteht die Welt nicht. So denken zumindest die Wachstumsgegner. Dennoch setzen sie sich weiter für einen geistigen Umschwung ein, damit es nicht zum wirtschaftlichen und ökologischen Kollaps kommt. Dieser ist, laut einigen Berichten, bei der aktuellen Lage der Produktion und des Konsums, etwa für die Jahre 2030 bis 2100 zu erwarten.