VON BENEDIKT GRADL
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11.04.2012 09:43
Blindes Vertrauen
Ein kleines Experiment: Stell dir deinen täglichen Weg zur Uni vor. Gehe ihn genau im Kopf durch. Du bist ihn schon x-mal gegangen. „Das gehe ich mit verbundenen Augen“, sagen wir manchmal, wenn wir über solch einen vertrauten Weg sprechen. Du bist den Weg genau durchgegangen? Wie oft hast du eine Straße überquert? Auf wie viele Ampeln musstest du achten? Wo waren die Bordsteine abgesenkt – und wo nicht? Würdest du den Weg zur Uni also wirklich „blind“ finden?
Ohne unsere Sehkraft wären wir im Alltag heillos überfordert. Dinge, auf die man noch nie geachtet hat, wie ein Schlagloch, können zur echten Gefahr werden. Blinde Menschen passen sich ihrer Situation an: Sie verlassen sich auf ihr Gehör, ihren Tastsinn und – auf ihren Hund.
Blindenführhunde ersetzen für ihre Herrchen und Frauchen das fehlende Augenlicht. Sie sind speziell ausgebildete Assistenzhunde, die blinden Menschen eine gefahrlose Orientierung in fremder Umgebung gewährleisten sollen. Um das aber zu ermöglichen, ist eine intensive Ausbildung unabdinglich. In den 6-8 Monaten der Schulung lernen die Vierbeiner neben dem Suchen und Erkennen von Zebrastreifen, Liften und Gehsteigen auch über 30 verschiedenen Kommandos. Sie lernen, wie sie ihren blinden Partner vor Absätzen und Treppen warnen können, aber auch das Finden von Haltestellen.
Mindestens genauso wichtig wie die Ausbildung ist das Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier. Der Blinde muss sich zu 100% auf seinen Hund verlassen können. Ohne diese Vertrauensbasis ist sowohl der Geführte als auch der Führende unsicher, was zu Missverständnissen, Fehlern und Unfällen führen kann. Daher kommt auch nicht jeder Hund für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe in Frage. Nur Hunde, die in ihrem ersten Lebensjahr in einer Pflegefamilie fürsorglich sozialisiert wurden, dürfen die Ausbildung beginnen. Voraussetzung für die Annahme an einer Schule ist neben einem starken Nervenkostüm auch eine hohe Belastbarkeit. Zudem müssen die Vierbeiner vor allem friedfertig, gesund und wesensfest sein.
Zu dem besonderen Vertrauensverhältnis gehört auch, dass der Hund Befehle verweigern kann und darf. Dieser sogenannte „intelligente Ungehorsam“ bedeutet, dass der Hund zum Beispiel an einer vielbefahrenen Straße den Befehl, vorwärts zu gehen, missachtet, um eine Gefährdung seines Partners auszuschließen.
Wann hast du das letzte Mal jemandem blind vertraut?
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