VON CLEMENS POKORNY | 02.04.2012 10:36

Was ist Vertrauen?

Wer einem Anderen sein Vertrauen schenkt, hat dafür nicht unbedingt rationale Gründe – auch die Biologie spielt ihre Rolle dabei. Wie Vertrauen entsteht und wie es definiert werden kann, dazu gibt es verschiedene wissenschaftliche Ansätze

„Vertrauen ist Mut, und Treue ist Kraft.“ So verstand die deutsche Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach „Vertrauen“, die tiefe Überzeugung von der Wahrheit der Aussagen, Ansichten oder Handlungen eines Anderen. Nicht zufällig sind die bei ihr parallelisierten Begriffe „Vertrauen“ und „Treue“ etymologisch verwandt, setzt Treue doch wechselseitiges Vertrauen zwischen zwei Lebewesen voraus. Dieses bedarf seinerseits einer Grundlage, um entstehen und wachsen zu können. Doch was ist Vertrauen eigentlich genau?

Gefühle wie das Vertrauen werden von verschiedenen Fachwissenschaften untersucht, die der Natur des Forschungsgegenstandes entsprechend keine einheitliche Definition liefern können. Der Soziologe Niklas Luhmann fasste Vertrauen im Sinne seiner Systemtheorie als einen Mechanismus (von vielen) zur Reduktion sozialer Komplexität auf. Einfacher ausgedrückt: Wer einem Anderen vertraut, erleichtert sich in der Regel das Leben, insofern durch diese Modifikation des Verhältnisses zu diesem Andern die soziale Welt in seinem Kopf berechen- und überschaubarer wird. Der Freudschüler Erik Erikson prägte 1950 den psychologischen Begriff des „Urvertrauen“. Darunter versteht man die Fähigkeit von Säuglingen, in ihrem ersten Lebensjahr differenzieren zu lernen, welchen Personen sie trauen können und welchen nicht, sowie ein optimistisches Verhältnis zur Welt zu entwickeln. Auch in der Wirtschaftswissenschaft ist das Phänomen seit langem bekannt, z.B. in Form des uralten Kreditwesens. „Kredit“ bedeutet wörtlich „Vertrauen“, nämlich dasjenige des Gläubigers in die Bereitschaft des Kreditnehmers, eine Verbindlichkeit absprache- und fristgemäß zu begleichen. Ein Vertrauensverhältnis können gläubige Menschen schließlich nicht nur anderen Menschen gegenüber erleben, sondern auch gegenüber Gott – das sogenannte Gottvertrauen. In diesem Sinne stellte Friedrich Schiller im „Wallenstein“ fest: „Nur zwischen Glaube und Vertrauen ist Friede.“

Warum wir in manchen Situationen oder gegenüber bestimmten Personen vertrauensseliger sind als sonst, hat einerseits mit den Erfahrungen zu tun, die wir in unserem Leben bisher gemacht haben. Andererseits bestimmt unser Körper darüber, wann wir jemandem vertrauen. Verantwortlich dafür ist das Hormon Oxytocin. In hoher Konzentration wird es v.a. von Frauen für eine leichtere Geburt ausgeschüttet (daher der griechische Name: okys – schnell und tiktein – gebären). Der Botenstoff sorgt unter anderem auch dafür, dass wir beispielsweise Gesichtern, die wir eigentlich als wenig vertrauenserweckend einstufen, dennoch Vertrauen schenken. Dies konnte in Versuchen nachgewiesen werden, in denen der einen Hälfte der Probanden Oxytocin in Gasform zugeführt wurde, während die andere Hälfte ein Nasenspray mit einem Placebo benutzte. Die Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung eines solchen „Vertrauenssprays“ besteht allerdings nicht, da es weder frei erhältlich ist noch heimlich angewandt werden könnte – Oxytocin verflüchtigt sich in der Luft in Minutenschnelle. Wer aber ganz sicher gehen will, halte sich an die alte Volksweisheit: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser!“