VON CLEMENS POKORNY | 16.04.2012 16:12

Compliance: Vertrauensvolle Kooperation des Patienten

Zum Erfolg einer Therapie trägt die Bereitschaft des Patienten dazu, die Weisungen des behandelnden Arztes einzuhalten, mitunter entscheidend bei. Voraussetzungen sind ein Bewusstsein für den Beitrag der Kooperation zum Heilungserfolg sowie ein vertrauensvolles Arzt-Patient-Verhältnis

Wir kennen es aus Spielfilmen oder aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis: Viele Patienten setzen Medikamente eigenmächtig ab – und erleiden dann einen Rückfall, der im Krankenhaus behandelt werden muss. Laut der Psychiatrischen Klinik der Technischen Universität München wäre jede zweite Einlieferung in die Psychiatrie zu vermeiden, wenn die Patienten eine größere Therapietreue an den Tag legen würden (vgl. SZ vom 26. Januar 2010, S. 16).

Therapietreue oder neudeutsch „compliance“ (im Englischen: adherence) bezeichnet das Maß, in dem ein Patient im Rahmen einer Therapie die Ratschläge seines Arztes befolgt. Bei diesem Konzept wird dem Therapeuten natürlich nicht in jedem Fall eine perfekte medizinische Beurteilung oder gar eine Vorhersage des Krankheitsverlaufs des Patienten zugeschrieben; vielmehr kommt es auch auf die Kooperation des Kranken an: Wenn sich z.B. sein Zustand während der Therapie verändert, ist er aufgefordert, Rücksprache mit dem Arzt zu halten, damit dieser die Behandlung entsprechend anpassen kann. Bei einem Therapieverlauf ohne Komplikationen sollte man sich allerdings einfach an die Weisungen des Mediziners halten, d.h. – je nach Krankheitsbild und gewünschtem Therapieerfolg – seine Medikamente regelmäßig und in den vereinbarten Dosen einnehmen, selbstständig oder durch Fachpersonal wichtige Messungen durchführen oder seinen Lebensstil nachhaltig ändern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat fünf Faktorengruppen ermittelt, die darüber entscheiden, inwieweit sich ein Patient „compliant“ verhält: sozio-ökonomische Faktoren wie z.B. Bildung und Einkommen, patientenabhängige Faktoren wie Fähigkeit zur Selbstorganisation oder Merkfähigkeit, krankheitsbedingte Faktoren (z.B. Symptome), therapiebedingte Faktoren wie Nebenwirkungen und Einnahmebedingungen, sowie gesundheitssystem- und therapeutenabhängige Faktoren, also u.a. Kostenübernahme, Behandlungsmöglichkeiten und Kommunikation mit dem Therapeuten. Letzteres setzt ein gutes und belastbares Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient voraus.

Während Vertrauen nur im laufenden Kontakt mit dem Therapeuten entstehen kann, können patientenabhängige und therapiebedingte Faktoren gezielt im Sinne einer besseren Compliance beeinflusst werden. Therapieuntreue (Non-Compliance) beruht meist auf Vergesslichkeit. Die moderne Elektrotechnologie bietet hier zahlreiche Möglichkeiten für Merkhilfen, die den Patienten an die Einnahme eines Präparats erinnern, z.B. in elektronischen Kalendern oder als SMS-Erinnerungen im Rahmen sogenannter Compliance-Reminder-Systeme. Medikamentöse Therapien können vereinfacht werden, indem beispielsweise mehrere Präparate zu einem „Kombinationspräparat“ zusammengefasst werden oder die Verpackungen leicht zu öffnen sind. Pillenboxen gliedern über den Tag verteilte Medikamenteneinnahmen, indem jedem Tablettenfach die jeweilige Einnahmezeit gut lesbar zugeordnet ist. Vor allem aber muss der Patient – persönlich, aber auch mit Informationsblättern – umfassend und verständlich über seine Krankheit, die Therapie und die möglichen Konsequenzen von Non-Compliance wie Rückfälle oder erhöhtes Mortalitätsrisiko informiert werden. Wenn er Verständnis und Einsicht entwickelt und seinem Arzt vertraut, bestehen gute Bedingungen für eine hohe Compliance und damit für den Therapieerfolg.