VON CLEMENS POKORNY | 15.05.2014 12:49

Zweckentfremdung: Ferienwohnungen verknappen Berliner Wohnraum

Auch in Berlin nimmt die Wohnungsnot zu. Die Hauptstadt leidet schon seit Jahren unter einer zunehmenden Zahl an Ferienwohnungen, die dem regulären Wohnungsmarkt entzogen werden. Die Politik spricht von „Zweckentfremdung“ und hofft, mit stärkerer Reglementierung die Zahl der Feriendomizile zugunsten von Mietwohnungen senken zu können. Ist das dazu erlassene Gesetz wirksam?

Deutschlands Einwohnerzahl sinkt, doch weil die Landflucht ungebrochen ist, fehlen in den Städten derzeit jedes Jahr 140.000 Wohnungen. Schuld daran ist nicht nur Platzmangel, denn die vier Millionenstädte weiten sich bereits zu Metropolregionen aus, wachsen also immer mehr ins Umland. Auch die Bürokratie hilft nicht, dem Wohnungsnotstand beizukommen: Genehmigungsverfahren für umfangreiche Bauprojekte können in einer deutschen Großstadt schon mal zwei Jahre dauern. Dazu kommt immer mehr Widerstand von Anwohnern gegen geplante Neubauten in ihrer Nachbarschaft. In Berlin, wo der Wohnungsmarkt lange Zeit viel entspannter war als etwa in Hamburg oder München, zeichnet sich bereits spätestens seit 2012 ein weiteres Problem ab: Immer mehr Domizile, vor allem im unteren Mietpreissegment, werden als Ferienwohnungen an Urlauber vermietet – und fehlen damit auf dem Wohnungsmarkt.

Wohnraumwahnsinn in Deutschland

Wie viele es genau sind, weiß keiner so recht – die Stadt spricht von 15.000 „zweckentfremdeten“ Immobilien, die Branche von 4000 bis 6000. Die genaue Zahl lässt sich nicht feststellen, weil Ferienwohnungsbetreiber bis 2013 ihr Gewerbe nicht registrieren lassen mussten und alleine mit den Mieteinnahmen in der Regel unter dem Umsatzsteuerfreibetrag liegen. Damit ist bald Schluss: Ab Anfang dieses Jahres benötigen die Vermieter von Ferienwohnungen eine Lizenz vom zuständigen Bezirksamt. Je nach dem bestehenden Angebot an und der Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum kann die Lizenz verweigert werden. So erhofft sich die Stadt vor allem in Kreuzberg, Friedrichshain, Mitte und Prenzlauer Berg einen Anstieg der Wohnungszahlen um 8.000 bis 12.000 und damit eine Trendwende: Seit 20 Jahren gab es nicht mehr so wenige Wohnungen in Berlin. Von der gesetzlichen Reglementierung sind Privatunterkünfte für Couchsurfer, befristete Vermietungen etwa für Austauschstudenten oder Au-Pairs sowie solche Wohnungen ausgenommen, die von Freiberuflern oder sozialen Einrichtungen genutzt werden.

Obwohl das „Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ ohne Gegenstimmen beschlossen wurde, ist es durchaus umstritten. So mancher vergisst, dass Eigentum nicht nur moralisch, sondern rechtlich verpflichtet – weshalb ja auch eine Mietpreisbremse diskutiert wird. Doch wie viel die Berliner Maßnahme angesichts des bundesweiten Wohnungsmangels nützt, ist fraglich – und selbst in Berlin muss die Politik ja darauf vertrauen, dass als Feriendomizile aufgegebene Objekte wieder auf dem Wohnungsmarkt angeboten werden. Den Grünen geht das Gesetz nicht weit genug: Wem etwa die Genehmigung versagt wird, kann seine Ferienwohnung während einer zwei Jahre langen Übergangsfrist dennoch anbieten – warum so lange? Angesichts der vielen betroffenen Immobilien dürften die Bezirksämter bei der Bearbeitung der Anträge kaum hinterherkommen – doch bei Überschreitung einer gewissen Frist gilt die Genehmigung automatisch als erteilt.

Und selbst wenn Berlin mit dem Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum Erfolg haben sollte, lässt sich dieses Modell kaum auf andere Großstädte übertragen, weil es in keiner anderen Stadt der Bundesrepublik so viele Ferienwohnungen geben dürfte – das Problem der Zweckentfremdung also auch nirgends so groß ist. Für Wohnungsmangel gibt es, wie eingangs beispielhaft dargestellt, viele Gründe. Daher kann er auch nur mit einem Bündel verschiedener Maßnahmen bekämpft werden.