VON MAXIMILIAN REICHLIN | 13.07.2016 15:34

Der Abschlussbericht der Endlager-Kommission: Sind die Ergebnisse zu schwammig?

In der vergangenen Woche übergab die Endlager-Kommission nach zweijähriger Diskussion ihren Abschlussbericht. Darin sind die Vorschläge der Kommission verankert, auf deren Basis die Bundesregierung in Zukunft nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktiven Abfall suchen soll. Aktuell ist noch kein Standort definitiv ausgeschlossen – auch die umstrittenen Stollen in Gorleben noch nicht. Kritische Stimmen werfen der Kommission deswegen vor, kaum Fortschritte erzielt zu haben. Andere fürchten, dass die Suche nach einem geeigneten Lager aufgrund der laschen Bedingungen länger dauern könnte, als geplant – und mehr Geld kosten wird. UNI.DE kennt alle wichtigen Eckpunkte der Diskussion.

Am 05. Juli übergab die sogenannte Endlager-Kommission ihren Abschlussbericht der Bundesregierung. Das Ergebnis der zweijährigen Diskussion der Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft ist eine „weiße Landkarte“. Demnach soll in ganz Deutschland nach einem geeigneten Endlager für stark strahlenden Atommüll gesucht werden – nach Kriterien, die die Kommission in ihrem Abschlussbericht festgelegt hat. Dieser soll nun die Basis für einen aktualisierten Gesetzentwurf bilden.

Endlager-Kriterien: Ton, Salz oder Granit in mindestens 300 Metern

Seit Mai 2014 beraten die 33 Mitglieder der Kommission über diese Kriterien, die nun eindeutig festgelegt sind: Das neue Endlager für hochradioaktive Abfälle muss demnach in einer Tiefe von mindestens 300 Meter liegen, geeignet sind Stollen in Ton-, Salz- oder Granitformationen. Die Suche soll nun deutschlandweit stattfinden und einzelne Standorte nach und nach ausgeschlossen werden, bis der ideale Standort gefunden werden kann. Dort soll ab 2050 der hochradioaktive Müll endgültig gelagert werden.

Kein Fortschritt? Gorleben ist immer noch nicht als Endlager ausgeschlossen

Kritische Stimmen behaupten allerdings, dass durch die Diskussion kaum ein Fortschritt erzielt wurde. So beispielsweise die Umweltorganisation BUND Naturschutz. Als einziges stimmberechtigtes Kommissionsmitglied hatte der BUND den Abschlussbericht abgelehnt. Die Begründung: Der umstrittene Standort Gorleben ist durch die neuen Kriterien nach wie vor nicht als Endlager ausgeschlossen – obschon einige Fachleute die Tonschicht in Gorleben für nicht geeignet halten, um auf Dauer das Eindringen von Wasser zu verhindern. Letzteres hätte katastrophale Folgen, da so radioaktives Material ins Grundwasser eindringen und schwere Strahlungsschäden verursachen könnte.

Detlef Appel, Geologe und Mitglied der AG3 der Endlager-Kommission, hält das Fehlen einer geeigneten Tonschicht für ungemein wichtig: „Ich habe deswegen ein Kriterium zur Beurteilung des Deckgebirges vorgeschlagen. Das befindet sich in der Diskussion. Und es stößt sofort auf Widerspruch im Zusammenhang mit der Eignungsdiskussion in der Vergangenheit über Gorleben.“ Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace bemängelt den Umstand, dass die Kommission Gorleben nicht als mögliches Endlager ausgeschlossen hat: „Das ist unser Eindruck bei Greenpeace. Dass hier Kriterien angepasst werden an einen Standort, und nicht umgekehrt Kriterien entwickelt werden nach bestem Wissen und Gewissen.“

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Sachsen und Bayern wollen sich bereits im Vorfeld ausklinken

Beschwerden kommen nun außerdem von den Landesregierungen in Sachsen und Bayern. So hält Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt sein Bundesland für nicht geeignet, um dort ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll zu errichten. Der Grund: Die geologische Struktur in Sachsen wird maßgeblich von Granit bestimmt, das, so die Meinung Schmidts, kaum so gute Eigenschaften habe, wie etwa Salz- oder Tonformationen. Zudem weise die Granitschicht in den möglichen Endlagern in Sachsen nicht die nötige Mächtigkeit von 100 Metern auf, die für ein sicheres Endlager benötigt werde. Auch Bayern hat sich, aus ähnlichen Gründen, bereits aus der Endlagersuche ausgeschlossen.

Tatsächlich hatte die Kommission die Stärke von 100 Metern als bindende Maßgabe im Abschlussbericht festgelegt, und nur für Granitformationen eine Ausnahme gemacht. Bei Granit könne die Schicht demnach auch dünner sein, die nötige Sicherheit werde dann durch sichere Behälter gewährleistet. Ob diese aber auch wirklich über Jahrtausende hinweg dicht sein, könne man nicht sagen; anders bei geologischen Barrieren wie Salz und Ton, die schon seit Jahrmillion existieren, so der Kommentar von Wolfram Kudla von der Bergakademie Freiberg: „Deswegen setze ich an sich auch darauf, dass ein Endlager in einem Salz- oder Tongestein wesentlich sinnvoller ist als in einem kristallinen Gestein.“

Sachsen klagt an: Kommission vermeidet absichtlich Flecken auf der „weißen Landkarte“

Letzten Endes bringt Sachsens Umweltminister also den gleichen Vorwurf, wie zuvor Greenpeace und der BUND Naturschutz: Dass die Kommission schwammige Ausnahmen gemacht hat, um nicht von vorne herein mögliche Lagerstätten auszuschließen. Wende man die 100-Meter-Regelung nämlich konsequent an, würden viele mögliche Standorte bereits im Vorfeld durch das Raster fallen – allen voran eben Sachsen und Bayern – und die „weiße Landkarte“ bekäme bereits vor der eigentlichen Standortsuche erste Flecken.

Die Opposition in Sachsen hält indes dagegen: Schmidt verfahre nach dem „Sankt-Florians-Prinzip“ und tue alles dafür, „dass es nicht ins eigene Bundesland kommt“. Man habe die Probleme des radioaktiven Müll aber „gemeinsam“, so der Grüne Fraktionsvorsitzende Volkmar Zschocke. „Deswegen sollte die Arbeit der Kommission nicht durch Sonderwege einzelner Bundesländer gefährdet werden."

Es ist zu befürchten: Atomausstieg wird länger dauern und mehr kosten

Die Suche nach einem geeigneten Standort zur Endlagerung ist Teil des Atomausstiegs der Bundesrepublik. Ab 2022 soll nach den aktuellen Plänen kein deutsches Atomkraftwerk mehr in Betrieb sein, spätestens 2050 soll mit dem Bau eines geeigneten Endlagers begonnen werden. Dass die Kommission keine klaren Bedingungen festlegen konnte, könnte, so wird befürchtet, den Zeitplan allerdings stark verzögern. „Der Konflikt ist nicht gelöst, sondern lediglich vertagt“, bemängelt beispielsweise Jochen Stay von der Initiative „ausgestrahlt“. „Wesentliche Entscheidungen werden der neuen, mächtigen Atommüll-Behörde überlassen.“

Letztere befasst sich als Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (BfE) nun mit der weiteren Endlagersuche und der Eintreibung der nötigen Gelder. Wie lange die Suche schließlich dauern wird und welche Kosten die Betreibung des Endlagers schlussendlich verschlingen wird, sind aktuell kaum kalkulierbar und reine Spekulation. Johannes Teyssen, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns E.ON, rechnet allerdings mit einer gründlichen und langen Suche – sowie mit Kosten in Milliardenhöhe. Die Frage, wie viel davon auf die Steuerzahlenden zukommen wird steht noch im Raum.