VON CLEMENS POKORNY
|
21.12.2012 16:44
Fracking: Öl und Gas um jeden Preis?
Beim „Hydraulic Fracturing“ werden Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepumpt, um anders nicht zugängliche Öl- und Gasvorkommen zu erschließen. Der nötige Aufwand ist dabei fast ebenso groß wie die Risiken für Mensch und Umwelt, die sich beim „Fracking“ ergeben.
Stell dir vor, du drehst den Wasserhahn auf, hältst ein Feuerzeug daneben – und eine Stichflamme schießt empor. Undenkbar? Nicht im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Der Grund für dieses Phänomen liegt vielleicht in einer in den USA verbreiteten, höchst umstrittenen Methode der Öl- und Gasförderung: im Hydraulic Fracturing, kurz Fracking.
Master of Disaster
Nach Naturkatastrophen wie einem Erdbeben oder einem Tsunami sind die Behörden und Regierungen oft heillos überfordert. Wo soll man anfangen, wenn alles am Boden liegt? Wo setzt man Prioritäten? Wie koordiniert man die Unterstützung?
[...]»
Dabei werden fossile Rohstoffe für die eigentliche Förderung erschlossen, die unzugänglich unter undurchlässigen Gesteinsschichten liegen (sogenanntes „unkonventionelles“ Öl bzw. Gas). Tausende Liter Wasser werden in eine meist mehrere hundert Meter tiefe Bohrung gepumpt und erhöhen den Druck im Gestein. Sobald der durch das „Frackfluid“ (Brechflüssigkeit) ausgelöste Druck den geringsten Druck im Gestein überschreitet, bilden sich Risse, durch die später das tiefer liegende Öl oder Gas strömen kann. Damit diese sich nicht wieder schließen, wird mit der Flüssigkeit auch Sand in die gewünschte Tiefe transportiert, der sich in die Brüche legt und sie so offen hält. So weit, so gut – doch für den Transport des Sandes und zur Unterstützung der hydraulischen Wirkung des Frackfluids gibt man, anders als etwa bei der Förderung von
Ölsanden, einen Mix von bis zu zwölf teilweise krebserregenden Chemikalien bei. Wird die Flüssigkeit später wieder abgepumpt, bleiben natürlich Rückstände in der Tiefe, die zum Grundwasser durchsickern können, wenn die Bohrlochabdichtung mit Beton gegenüber den grundwasserführenden Schichten sich als undicht herausstellt. Das zurückgepumpte Abwasser wird in den USA nur unzureichend gereinigt und dann in Oberflächengewässer eingeleitet – und so auch ein nicht unerheblicher Anteil der 43 Millionen Liter Fracking-Hilfsstoffen, die allein zwischen 2005 und 2009 in den Vereinigten Staaten von Firmen wie
ExxonMobil eingesetzt wurden.
Bei Erdgasbohrungen kann schließlich – durch undichte Bohrungsverrohrung und -zementierung, aber auch unkontrollierbar – auch Methangas ins Grundwasser gelangen. Über Brunnen und Wasserleitungen gelangt es dann mitunter bis zum Wasserhahn eines Privathaushalts und strömt dort aus. Dieses Phänomen hat der Regisseur und Umweltschützer Josh Fox in seinem Film
Gasland (2010) thematisiert. Doch im Vergleich zu den Auswirkungen des Chemikalieneinsatzes erscheint dieses Problem, dessen Ursachen noch dazu umstritten sind, gering. In Deutschland haben vor allem die enormen potentiellen Schäden für Mensch und Umwelt ab 2010 eine breite gesellschaftliche Debatte über das Hydraulic Fracturing angeregt und ExxonMobil mittlerweile dazu bewogen, die seit 2009 laufende Suche nach weiteren Standorten in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen – neben einer bereits seit 1994 laufenden Förderstätte mit Fracking – vorläufig zu beenden. Ein Versuch im österreichischen Weinviertel,
unkonventionelles Gas ohne Zugabe von Chemikalien zu fördern („Clean-Fracking“), musste 2012 als gescheitert aufgegeben werden. So stehen wir wohl vor der Wahl, die erheblichen Risiken und Langzeitfolgen des Hydraulic Fracturing
hinzunehmen oder auf die Förderung von unkonventionellem Öl und Gas
zu verzichten.