VON SINEM S.
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11.10.2012 16:16
Die grüne Revolution
Noch auf der Kopenhagener Klimakonferenz hatte sich der bisherige Umweltsünder Nummer 1 gegen die westlichen Vorgaben zur CO2-Reduktion und zum Klimaschutz widersetzt. Gemeinsam mit Indien war China der Störenfried, der es wagte, den europäischen Konferenzteilnehmern sowie der USA die Stirn zu bieten und seine Kontrahenten dazu aufforderte, ebenso strikt an den eigenen Emissionswerten zu arbeiten, anstatt alles auf die vermeintlichen Umweltsünder abzuwälzen. Kushal Pal Singh Yadav, Klimaexperte beim Zentrum für Wissenschaft und Umwelt in Delhi, meint dazu: »Die westliche Vorstellung, dass Indien und China für das Scheitern von Kopenhagen verantwortlich seien, ist vollkommen falsch«. USA und die EU hätten zwar langfristige Ziele bis 2050 gesetzt, doch die Versäumnisse des Kyoto-Protokolls wurden mit keinem Wort erwähnt, in ihren Augen hätten diese sich eher um die kurzfristigen Ziele gedrückt, die wesentlich teurer ausfielen. China geht nun seinen eigenen Weg, und ist bereit für die grüne Revolution. Was die einen für Ökokommunismus halten, ist für die anderen die Synthese von wirtschaftlichem Erfolg und nachhaltigem Denken.
Solarbetriebene Boiler, die warmes Wasser liefern, Windkraft, Elektromobilität - alles Errungenschaften, die man eher in einem europäischen Land vermuten würde, als in China. Bereits 30 Millionen Haushalte produzieren Wärme über Solarzellen auf ihrem Dach, mit 60 Gigawatt installierter Leistung ist China Windstromproduzent Nummer 1 - zum Vergleich: Deutschland produziert 29, die USA 47 Gigawatt. Im neuen 5-Jahresplan wird festgehalten, dass für jede Einheit des Bruttoinlandsproduktes 2020 nur noch halb so viel CO2 ausgestoßen werden soll wie derzeit. Dies würde zwar immer noch eine Verdoppelung der bisherigen Werte bedeuten, wenn man von einem normalen Bevölkerungswachstum ausgeht, aber immerhin. In keinem anderen Land wird mehr Geld für die Förderung erneuerbarer Energien ausgegeben wie in China. Dieses ist sich wohl bewusst darüber, dass das immense Wirtschaftswachstum irgendwann ein Ende haben wird, und das Land dann mit den Folgen des ausufernden Kapitalismus zu kämpfen hat. Schon jetzt fällt auf ein Drittel des chinesischen Bodens saurer Regen, ein Viertel der chinesischen Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und ein Drittel der Stadtbevölkerung atmet verdreckte Luft ein. Dass China nun so vehement den Klimaschutz forciert, ist ungewöhnlich. Doch die Methoden erinnern stark an vergangene Zeiten: Umweltsünder werden an den Pranger gestellt, neue Emissionsgrenzen blitzschnell durchgesetzt und Milliarden in die Förderung erneuerbarer Energien gesteckt, wie einst in große Politkampagnen.
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Dhezou-eine Stadt mit einer Million Einwohnern in der Provinz Shandong. Hier blitzen auf nahezu jedem Gebäude Solarzellen vom Dach. Greenpeace China schreibt auf seiner Seite euphorisch von der „Stadt der Sonnenanbeter“. Doch wie ist es möglich, 90 Prozent der Immobilien mit Sonnenkollektoren auszustatten? Man stelle sich vor, München würde in einer großangelegten Aktion zu einziger Solarzelle umfunktioniert werden, ohne politische Rückendeckung wäre so etwas unmöglich. Die Regierung von Dhezou zwang kurzerhand alle Immobilienfirmen Solarzellen auf den Häusern zu installieren, diejenigen, die sich weigerten, wurden registriert. Demokratie ist immer noch ein Fremdwort in China, viele sprechen daher schon vom neuen „Ökokommunismus“. Wer auch hier die Regierung oder die Unternehmen, die mit dieser zusammenarbeiten, kritisiert, muss ebenfalls polizeiliche Verfolgung in Kauf nehmen. Die Firma Himin, Vorzeigeunternehmen und Monopol in Dhezou, will ihre Sonnenkollektoren nun in den Dörfern an den Mann bringen. Eine Solarzelle kann für 2000 Yuan produziert werden, doch
Himin will sie den armen chinesischen Bauern für das Doppelte verkaufen. Viel Geld für die Familien, doch der Staat zwingt sie, zu kooperieren. Was nach außen hin also revolutionär aussieht, ist bei genauerem Hinsehen, eine ähnliche Jagd nach Geld und Wachstum, wie man es von China bisher kennt - nur, dass es nun verpackt mit einem Ökosiegel nach außen glänzt.