VON JULIA ZETZ
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08.01.2013 17:22
Ich bin Momo – Oder wie ich meine Zeit verloren habe
Wikipedia sagt: Zeit ist eine physikalische Größenart. Gut. Zeit ist wertvoll. Auch Gut. Aber was genau ist dann Zeitverschwendung? Ist Schlafen verschwendete Zeit? Ist Nichtstun eine nicht genutzte Größeneinheit?
Schon morgens bin ich unruhig. Der Wecker läutet und mein Gehirn schaltet sofort auf Hochtouren. Meine Augen sind noch verschlafen, mein Körper noch müde, aber mein Gehirn, das läuft schon einen Marathon. Was muss ich heute alles erledigen? Was habe ich vergessen? Wie spät ist es? Ok, sieben Uhr. Gehirn an Julia: Du musst planen, deine Zeit einteilen, dich rationalisieren! Los jetzt!
Zeitverschwendung – Oder was mein Gehirn dazu sagt
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Kaum bin ich aufgestanden geht es weiter. Alles muss geplant werden. Alles muss in einen Zeitplan passen. Nur keine
Zeit verschwenden. Zeitverschwendung ist Ressourcenverschwendung. Nur wer alles gut plant und korrekt ausführt, wird seine 24 Stunden täglich richtig nutzen. Das ist zumindest die Meinung meines Gehirns. Aber Moment Mal! Julia an Gehirn: Kannst Du mal einen Gang zurück schalten? Kannst Du Dich mal ein bisschen entspannen? Einfach mal nichts tun sei doch keine Zeitverschwendung, versuche ich mein Gehirn zu beruhigen. Einfach mal den Tag entspannt starten sei doch wohl auch mal erlaubt.
Momo und die grauen Männer
Schon im Märchen „
Momo“ von Michael Ende wird vor den „grauen Männern“ gewarnt, die uns einreden wir müssten unsere Zeit möglichst effizient nutzen. Liebes Gehirn, hast Du schon mal darüber nachgedacht, warum die Männer grau sind? Könnten sie ihre Farbe verloren haben, weil sie an nichts anderes denken konnten als an Effizienz? An Rationalisierung? An Zeitverschwendung?
Wo bleibt Zeit für Geschichten, für Leben, für Freude, wenn ich stets nur über die Zeit nachdenken soll? Wo bleibt das wohlige Gefühl des Nichtstuns an einem regnerischen Sonntag? In welches Raster meines Zeitplans soll ich das schlichte Genießen eines sonnigen Tages einordnen?
Liebes Gehirn, liebe graue Männer, ich denke, auch euch würde ein bisschen Farbe gut tun. Ein bisschen schwelgen, ein bisschen Zeitverschwendung. Denn wollen wir mal ehrlich sein, große Menschen der Gesichte hatten auch keinen Zeitplan, indem sie sich vorgenommen haben, große Dinge und Geschichten zu erfinden, oder?