VON LISI WASMER | 08.01.2013 17:48

Reichtum auf Knopfdruck – Wenn Maschinen die Börse einnehmen

Reichtum per Knopfdruck. Das versprechen die Verkäufer von Expert Advisors, also computerisierten Buchhaltern. Für ein paar tausend Euro kauft man ein Programm, das alle Börsengeschäfte erledigt, im Bruchteil einer Sekunde selbständig Wertpapiere kauft und verkauft – und am Ende möglichst viel Gewinn herausschlägt. Aber was steckt dahinter? Und für wen lohnen sich die Programme tatsächlich?


Menschen erschaffen Maschinen, um schneller und effektiver arbeiten zu können. Bis diese Maschinen ein Eigenleben entwickeln, unkontrollierbar werden und die Welt ins Chaos stürzen. So kennen wir das aus pessimistischen Utopie-Filmen à la „Matrix“ oder „Transformers“. Weniger actionreich, aber viel dramatischer, weil real, passiert das seit einigen Jahren an den Börsen.

Sogenannte Expert Advisors oder auch Algo Trader sind Programme, mit denen sich Märkte minutiös beobachten lassen, die selbständig Käufe und Verkäufe tätigen und ihren Besitzern so innerhalb von Sekundenbruchteilen das schnelle Geld bringen sollen.

300 Millionen US-Dollar für sechs Millisekunden

Der grösste Raubzug der Geschichte

Ins Gespräch gekommen sind diese Programme vor allem in Verbindung mit dem sogenannten Hochfrequenzhandel und seinen Konsequenzen für die internationale Börse. Hochfrequenzhandel, das bedeutet möglichst viele Handlungsaktionen in möglichst kurzer Zeit. Wie das zum schnellen Geld verhelfen kann, wird klar, wenn man sich einen typischen Aktienverlauf ansieht: Der Kurs verläuft nie in einer sauberen Kurve, Abfall und Anstieg sind immer mit kleinen Zacken versehen. In diesen Zacken steckt nun das große Geld. Denn wer schnell genug zugreift, kann auch diese sehr kurzfristigen Schwankungen gewinnbringend nutzen.

Hierfür müssen Wertpapiere aber so schnell wie möglich ge- und verkauft werden. Für Menschen unmöglich, für Computer kein Problem. Deshalb wird mit Hochdruck daran gearbeitet, die Übertragungsgeschwindigkeit der Maschinen weiterhin zu optimieren, um noch mehr Gewinn erzielen zu können. Seit 2011 wird ein Transatlantikkabel zwischen New York und London verlegt, um eine schnellere Datenübertragung zwischen den Börsen zu gewährleisten. Ein neues Transatlantikkabel, das die Übertragungsgeschwindigkeit des bereits vorhandenen Kabels um 6 Millisekunden übertrifft. Die Kosten belaufen sich auf 300 Millionen US-Dollar. Eine unvorstellbare Summe. Andererseits aber Peanuts für große Anlagen, die mit jeder Millisekunde Vorsprung jährlich 100 Millionen US-Dollar Gewinn machen.

Der Teufel steckt im Detail

Wo liegt nun also das Problem mit Expert Advisors? Das Problem liegt im Detail. Zum einen sind Prozesse, die in derartigen Geschwindigkeitsdimensionen stattfinden, unmöglich zu kontrollieren. Welche Gefahren das birgt, zeigte der „Flash Crash“ an der us-amerikanischen Börse vom Mai 2010. Innerhalb von nur zehn Minuten wurden 1,3 Milliarden Aktien gehandelt. Das entspricht dem sechsfachen Durchschnittswert. Der Leitindex sank um fast sechs Prozent. Was nach nicht viel klingt, hieß für viele Aktien einen immensen Wertverlust, teilweise um bis zu 99 Prozent. Erst als der Handel unterbrochen wurde, erholte sich der Kurs wieder ein wenig.

Ein weiteres Problem liegt in der schwachen Regulation von automatisierten Börsengeschäften mittels Expert Advisors. Kursmanipulationen wird Tür und Tor geöffnet. Durch die rasante Übetragungsrate ist es möglich, An- und Verkaufsaufträge zu erteilen, vor dem tatsächlichen Kauf oder Verkauf jedoch nochmal einen Rückzieher zu machen. Geht ein hoher Kaufauftrag ein, wird ein gesteigertes Interesse an einer Aktie registriert, der Kurs steigt. Analog fällt eine Aktie, wenn ein hoher Verkaufsauftrag erteilt wird. Egal, ob ein Kauf bzw. Verkauf tatsächlich stattgefunden hat oder nicht.

Großes Geld gibt’s nur für große Fische

Trotzdem träumt vielleicht so mancher Kleinanleger vom Reichtum per Knopfdruck. Geschürt werden diese Hoffnungen von etlichen Providern, die für ein paar tausend Euro entsprechende Programme und Lizenzen anbieten. Was die Kunden bekommen, ist ein Computerprogramm, das ihnen den Buchhalter ersetzt. Was ihnen dann aber immer noch fehlt, ist das ausreichend große Kapital, das sie für einen entsprechenden Gewinn erst einmal einsetzen müssten, ebenso wie die Möglichkeit, tatsächlich Hochfrequenzhandel zu betreiben.

Trotzdem macht der Hochfrequenzhandel an der Deutschen Börse bis zu 50 Prozent des Auftragsvolumens aus. In Amerika sollen es bis zu 70 Prozent sein. Er wird von Banken, Hedgefonds und Wertpapierfirmen betrieben, die sich entsprechende Verbindungen oder einen Standort in unmittelbarer Nähe zum Börsengebäude leisten können. Für die kleinen Fische ist auf dem Hochgeschwindigkeitsparkett längst kein Platz mehr.