UNI.DE: Statt dem bewährten Duo Weik/Friedrich Ihrer ersten drei Bücher ist bei „Sonst knallt’s“ ein Autoren-Trio am Werk. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Götz W. Werner?
Matthias Weik (MF): Wir alle merken, dass in den letzten Jahren etwas gewaltig schief läuft in der Welt, in Europa aber auch in Deutschland. Wir alle spüren intuitiv, dass seit Jahren etwas nicht stimmt und die Welt aus den Fugen geraten ist. Die Gesellschaft driftet immer weiter auseinander. Wir können so wie bisher nicht weiter machen. Dieses Gefühl beschleicht uns drei Autoren alle gleichermaßen und wir sahen es an der Zeit vor der Bundestagswahl einen Art Weckruf, ein überparteiliches Programm zu veröffentlichen, da wir von den bestehenden Parteien keinen notwendigen Wandel erwarten. Kennengelernt haben wir uns dadurch, dass Herr Werner unser erstes Buch „Der größte Raubzug der Geschichte“ gelesen hatte und begeistert war. Nach einer Kontaktaufnahme haben wir im April 2013 eine gemeinsame Podiumsdiskussion in Stuttgart gemacht zum Thema Finanzkrise und bedingungsloses Grundeinkommen.
UNI.DE: Zentrales Thema Ihrer bisherigen Titel war das globale Finanzsystem und die Notwendigkeit zu Reformen in diesem Bereich. Viele Ihrer Thesen stellen Sie auch im vorliegenden Buch noch einmal dar. Was ist hinzugekommen?
Marc Friedrich (MW): Dieses Buch ist noch politischer wie unsere ersten drei Bestseller. Wir sehen es als Weckruf vor der Bundestagswahl und eine Art überparteiliches Programm. Wir sehen doch, dass immer mehr Menschen sich von den Parteien nicht mehr abgeholt fühlen und sich von ihnen abwenden. Dies ist eine brandgefährliche Entwicklung für unsere Demokratie. Wir brauchen Parteien die den Menschen und dem Land dienen. Hinzu kommt im Buch das Thema der Digitalisierung/Industrie 4.0 und die damit einhergehenden massiven Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt. Die UN und die Weltbank erwarten, dass in den nächsten zwei Jahrzehnten 50 bis 75% aller Arbeitsplätze wegfallen und durch Roboter usw. ersetzt werden. Da haben wir uns die Frage gestellt, was müssen wir machen, damit keine sozialen Unruhen entstehen und man die Digitalisierung als Chance und nicht als Gefahr begreift. So sind wir bei der Lösungssuche auf das Bedingungslose Grundeinkommen und zur Finanzierung auf die Steuerrevolution in Form einer Konsumsteuer gekommen.
UNI.DE: Das Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) – eine oftmals belächelte und kritisierte Idee: In „Sonst knallt’s“ verweisen Sie nicht nur auf prominente Wirtschaftsvertreter, die ebenfalls Verfechter des BGE sind, sondern beschreiben seine Einführung zudem als überfällig und wichtigen Schritt in Richtung Lösung verschiedenster gesellschaftlicher Probleme. Welche Auswirkungen wird die Einführung des BGE Ihrer Meinung nach haben?
MF: Eine durchaus positive und heilsame. Wir würden einen Evolutionssprung machen. Vorab: Die Industrie 4.0 kommt! Der Fortschritt ist durch nichts und niemanden aufzuhalten. Alle Studien zeigen ganz klar auf, dass wir in Zukunft weniger Arbeitskräfte benötigen werden. Dies soll keine Angst machen sondern eher als Chance gesehen werden. Die Menschheit hat seit jeher immer versucht sich durch Erfindungen der Arbeit zu entledigen oder zu erleichtern - Angefangen mit der Erfindung des Rades, über die Erfindung von unzähligen Werkzeugen, Maschinen, Schiffen, Autos, Flugzeugen, Computern, Robotern bis hin zu selbst lernenden Maschinen... Nun stehen wir vor der Türe ins Paradies und könnten bald einen Großteil der Arbeit an Maschinen und Roboter delegieren und hätten endlich Zeit für die wahre Berufung der Menschen. Die Existenzangst durch Jobverlust würde verschwinden und man könnte tatsächlich das machen wofür man berufen ist. Ohne das BGE kann die digitalisierte Welt und Gesellschaft überhaupt nicht funktionieren. Des Weiteren müssten wir unattraktive Jobs entweder attraktiver gestalten, besser bezahlen oder Maschinen erfinden, welche die Arbeiten in Zukunft übernehmen. Wir sind uns sicher, dass die Gesellschaft insgesamt gesunden würde. Wir sehen doch, dass wir uns immer mehr auseinander dividieren und nicht mehr miteinander sondern nebeneinander leben. Damit wäre Schluss.
UNI.DE: Eine weitere zentrale Rolle in „Sonst knallt’s“ spielt die Reform des Steuerwesens. Was muss in Ihren Augen reformiert werden und warum? Können Sie Ihre Ideen kurz skizzieren?
MF: Wir fordern eine wahre Steuerrevolution: Alle Steuern abschaffen - bis auf eine! Die Konsumsteuer. Unser jetziges Steuersystem ist ein Relikt aus dem Mittelalter als Leistung besteuert wurde. Damals lebten wir in einer Gesellschaft der Selbstversorgung. Heute leben wir aber in absoluter Fremdversorgung. Daran müssen wir das Steuersystem anpassen und modernisieren.
MW: Selbst wir als Ökonomen haben unsere Schwierigkeiten unsere Steuererklärungen selbst zu machen - ganz zu Schweigen davon die deutschen Steuergesetze zu verstehen. Der Wasserkopf zur Erhebung, Verwaltung und Verteilung der Steuern in Deutschland ist absurd und verschlingt etliche Milliarden. Die fairste Steuer ist die Konsumsteuer. Wir müssen in Zukunft den Verbrauch, also unseren Konsum besteuern und nicht das Einkommen. Das ist die einzig gerechte Art der Besteuerung. Ein jeder zahlt damit ganz transparent seine Steuer an der Ladenkasse und muss keine Steuererklärung mehr abgeben. Zudem gibt es in diesem System kaum eine Möglichkeit Steuern zu vermeiden oder zu hinterziehen. Alle Steueroasen würden ausgetrocknet und Deutschland wird zum Steuerparadies. Bereits heute zahlt der Konsument als Endkunde alle Steuern. Mit der Konsumsteuer wäre es aber transparent, gerecht und der riesige Wasserkopf der Überbürokratisierung der Behörden würde auch Milliarden einsparen.
UNI.DE: Sie beschreiben den Neoliberalismus als „schlechten Kapitalismus“. Warum? Und gibt es Ihrer Meinung dagegen auch einen „guten Kapitalismus“?
MF: Selbstverständlich! Der Kapitalismus ist eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Der Realkapitalismus hat in den letzten 200 Jahren unglaubliche Wohlstandseffekte erzielt. Im Jahr 1700 lebten 90 Prozent der Menschen in bitterer Armut, waren Selbstversorger und wurden im Schnitt 35 Jahre alt. Seit der Implementierung des Kapitalismus ist die Armut global massiv zurückgegangen und „nur“ noch 10 Prozent der Menschheit hungert – was immer noch viel zu viel ist. Obendrein ist die Lebenserwartung ebenfalls stark angestiegen. Der Neoliberalismus hat unter Thatcher, Reagan aber auch Rot-Grün in Deutschland alles dereguliert. Insbesondere die Finanzwelt – und das war ein massiver Fehler. Der Finanzkapitalismus hat den Realkapitalismus seit dem gekapert und quetscht ihn rigoros aus. Heute zirkuliert 90 Prozent allen Geldes in der Finanzwirtschaft und die durchschnittliche Haltedauer von Aktien beträgt 22 Sekunden. Es entstehen andauernd neue Finanzmarktblasen und –krisen für die die Allgemeinheit haften und zahlen muss. Ein perfides aber hoch lukratives System.
UNI.DE: Gegen Ende Ihres neuen Buches verweisen Sie darauf, dass Sie dieses als „Weckruf zu einer essentiellen Grundsatzdebatte über die Zukunft unseres Wirtschafts-, Sozial- und Finanzsystems“ verstehen wollen. Prinzipiell verfolgten Sie dieses Ziel ja auch mit den ersten drei Büchern. Warum ist seither trotzdem so wenig Reformwille in Deutschland und weltweit zu erkennen?