VON SINEM S. | 03.07.2012 15:48

Jugendarmut in Deutschland

Auch im wohlhabenden Deutschland gibt es sie: die Kinder- und Jugendarmut. Eine Studie der UNICEF zeigte, dass die Rate in Deutschland weit höher liege als in anderen europäischen Ländern. Auf einer Liste mit 29 Ländern befand sich Deutschland auf Platz 15, am besten schnitten die skandinavischen Länder ab, ganz oben standen Island und Schweden. Die Studie, die erstmalig 125.000 Haushalte zu deren Situation befragte, definierte 14 Güter als essentiell wichtig, um eine Mangelsituation für Kinder zu verhindern. Dazu gehörten neben einem Platz, an dem die Hausaufgaben verrichtet werden können auch Freizeitmöglichkeiten oder ein Internetanschluss. Fehlten mehr als zwei dieser Kategorien, ging man von mangelhaften Verhältnissen aus.

Die kürzlich von UNICEF vorgelegte Studie zum Thema Kinder- und Jugendarmut zeigt, dass auch in einer Industrienation wie Deutschland akuter Handlungsbedarf besteht. Demnach lebt jedes fünfte Kind in Deutschland an der Armutsgrenze, wohingegen Nationen wie Schweden oder Dänemark weitaus besser abschneiden, obwohl diese wirtschaftlich ähnlich gestellt sind wie Deutschland. Das Pro-Kopf-Einkommen in Großbritannien zum Beispiel ist sogar ein wenig niedriger, und trotzdem gehe es den Kindern dort besser als bei uns. Den Kindern in Deutschland mangelt es am meisten an Freizeitaktivitäten (6,7 Prozent), eines von 20 Kindern muss auf eine warme Mahlzeit pro Tag verzichten (4,9 Prozent). 4,4 Prozent müssen ohne einen Platz, an dem sie ihre Hausaufgaben verrichten könnten auskommen. 3,7 Prozent besitzen höchstens ein Paar Schuhe. 3,1 Prozent der unter 16-jährigen bekommen grundsätzlich keine neue Kleidung, sondern nur getragene von älteren Geschwistern. Drei Prozent leben in einem Haushalt ohne Zugang zum Internet.

Jung, ledig, arbeitslos

Gründe für die steigende Kinderarmut in Deutschland sehen Experten vor allem in der Bildungszugehörigkeit der Eltern und dem sozialen Status, der damit einhergeht. Die meisten Hartz-IV Haushalte finden sich in deutschen Großstädten, allen voran Berlin mit über 20%, am niedrigsten ist die Quote in München mit 3%. Auch wenn die Armut hierzulande trotzdem nicht mit der Armut in anderen Regionen der Welt zu vergleichen ist, also eine „relative Armut“ darstellt, führt sie dennoch zu Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung. Kinder mit Armutsproblemen erreichen seltener einen guten Bildungsabschluss, laufen öfter Gefahr kriminell auffällig zu werden und leiden häufiger unter gesundheitlichen Problemen.

Der erst kürzlich von der Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendliche Sozialarbeit erstellte Monitor zur Jugendarmut in Deutschland 2012 zeigt auch, dass Sozialleistungen die Armut nur teilweise zu verhindern wissen. Die Kürzungen des Jobcenters tragen ihren Teil dazu bei, die Situation gerade für junge Frauen und Männer zu verschlechtern. In Ostdeutschland ist die Armutsquote zudem mit 10,1% mehr als doppelt so hoch wie in Westdeutschland. Bildung ist eines der wichtigsten Schlüssel zur Bekämpfung der Jugendarmut, Jugendliche mit Migrationshintergrund und ohne Schulabschluss haben die denkbar schlechtesten Karten im Berufsleben. Sogar bei gleichen schulischen Voraussetzungen finden Jugendliche mit Migrationshintergrund nach dem Schulabschluss schwieriger Lehrstellen als gleichaltrige ohne diesen Hintergrund. Jugendliche unter 25 Jahren werden, wenn sie gegen die Auflagen des Jobcenters verstoßen, mehr als doppelt so häufig mit der kompletten Streichung ihrer Bezüge bestraft, wohingegen den über 25-jährigen die Bezüge nur gekürzt werden. Diese Misserfolge und Frustrationen führen häufig zu einer stärkeren Ausgrenzung, die Kürzung des Arbeitslosengeldes lässt die Betroffenen unter das Existenzminimum geraten. Obdachlosigkeit und Kriminalität sind somit leider häufig vorprogrammiert, obwohl gerade diese jungen Menschen am stärksten Unterstützung bräuchten.