VOM MAXIMILIAN REICHLIN
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22.01.2013 12:37
Prokrastination – Faulheit oder Störung? Der Artikel, der fast nicht geschrieben worden wäre
Eine E-Mail vom Chefredakteur ist in meinem Postfach gelandet mit Themen für Artikel, die ich schreiben soll. Eines davon heißt „Prokrastination – Faulheit oder Störung?“. Ich weiß nicht, was „Prokrastination“ ist, aber das Internet wird mir auf diese Frage wohl eine Antwort liefern. So beschließe ich, den Artikel gleich am nächsten Morgen in Angriff zu nehmen und gehe schlafen.
Am Morgen fahre ich sofort meinen Computer hoch, doch bevor ich mich der Online-Recherche nach „Prokrastination“ zuwenden kann, öffne ich Facebook. Fünf Minuten um meine Nachrichten zu überprüfen müssen drin sein, bevor es an die Arbeit geht. Ich stoße auf die Fotos von unserer Silvesterfeier, die ich mir gleich ansehen muss. Doch jedes Bild anzugucken und zu kommentieren kostet mich dann schon weit mehr als nur fünf Minuten und mir wird klar, langsam muss ich mich an die Arbeit machen. Da meldet sich der Hunger. Ich habe noch nicht gefrühstückt. Die „Prokrastination“ wird warten müssen.
Noch habe ich Zeit...
Einfach eine Auszeit...
Viele Studenten sind von ihrem Studium überfordert. Straffe Studienpläne und viele Prüfungen führen häufig zu Burnout und Überforderung. Ein Sabbatical kann da helfen. Aber was ist das genau?
[...]»
Eine halbe Stunde später, weil ich mir im Frühstücksfernsehen noch einen Beitrag über Kunstrasen angesehen habe, bin ich bereit, mich an die Arbeit zu machen. Vorher rauche ich noch eine Zigarette. Da fällt mir auf, mein Aschenbecher könnte mal wieder ausgeleert werden. Meine Wohnung macht im Allgemeinen einen ziemlich schmutzigen Eindruck. Saugen und Staubwischen ist also angesagt. Nach dem Mittagessen kann ich dann gleich noch mein Bett machen und den Abwasch erledigen.
Schon ein wenig erschöpft kehre ich am Nachmittag an meinen Schreibtisch zurück, klicke mich nun doch durch ein paar Suchmaschinen und finde heraus, dass "
Prokrastination" nichts anderes ist, als etwas, das dringend erledigt werden müsste, aufzuschieben, oder sich statt dessen anderen Dingen zu widmen, die im Moment wichtiger erscheinen. Während ich mich noch frage, warum ich über ein solch banales Thema überhaupt einen Artikel schreiben soll, fällt mir auf, dass ich meine Mutter schon lange nicht mehr angerufen habe...
Am Abend bin ich ziemlich stolz auf mich, dass ich den Tag so effizient genutzt habe. Nur der Artikel ist noch nicht geschrieben, aber das hat auch Morgen noch Zeit. Oder Übermorgen. Oder am Donnerstag, da habe ich frei und kann mich richtig darauf konzentrieren.
...und plötzlich ist sie weg
Übermorgen ist Abgabetermin. Ich habe eine arbeitsreiche Woche hinter mir. Der wöchentliche Einkauf ist erledigt, meine Wäsche ist gewaschen und für meine Freundin, die im November Geburtstag hat, habe ich schon mal ein Geschenk gekauft. Da fällt mir ein, dass der Artikel über „Prokrastination“ immer noch nicht geschrieben ist. Langsam wird es knapp. Morgen muss ich den ganzen Tag in der Uni verbringen. Woher soll ich da noch die Zeit für den Artikel nehmen?
Meine Freundin erzählt mir später im Bett noch etwas über ihre Seminararbeit, die sie in ein paar Wochen abgeben muss, für die sie aber noch nicht einmal Sekundärliteratur herausgesucht hat. Das ist wieder typisch. Immer wartet sie bis zur letzten Minute. Wenn „Prokrastination“ eine Krankheit ist, meine Freundin hat sie. Genervt murmele ich etwas von wegen „Was du heute kannst besorgen...“ und schlafe dann ein.